St. Martin / Edenkoben Fundstück im Wald: Verrostete Spuren eines Flugzeugabsturzes

Die Sauerstoffflasche, die Josef Praml gefunden hat.
Die Sauerstoffflasche, die Josef Praml gefunden hat.

Eine Sauerstoffflasche aus dem Zweiten Weltkrieg hat kürzlich den Weg zu den Nachfahren ihres einstigen Besitzers gefunden. Das war ein britischer Soldat, der 1943 einen Flugzeugabsturz bei St. Martin überlebte. Bei der Geschichte spielt vor allem eins eine große Rolle: der Zufall.

Angefangen hat alles mit einer Wanderung. Josef Praml, Vorsitzender des Pfälzerwald-Vereins St. Martin, ist viel im Wald unterwegs, am liebsten am St. Martiner Hausberg, dem Hochberg. So auch an jenem Sonntag im September vor zwei Jahren. Praml wanderte entlang der Edenkoben zugewandten Bergseite, als ihm auf dem Waldboden ein Metallstück auffiel. Zunächst dachte er an einen alten Tornister. Doch das Stück entpuppte sich als verrostete Sauerstoffflasche aus dem Zweiten Weltkrieg.

„Wir haben das Teil erst einmal zur Seite geräumt und sind nach Hause gegangen“, erzählt Praml. Dann recherchierte er und fand im Internet Abbildungen, die ihm klar machten, was sich hinter seinem Fund verbarg. Der St. Martiner vermutete zunächst einen Zusammenhang mit dem Absturz zweier amerikanischer Flugzeuge beim Forsthaus Heldenstein am 19. Oktober 1944.

Auf den Spuren des Großvaters

Der Zufall wollte es, dass er etwa zwei Monate später von einer Frau aus St. Martin angerufen wurde, die eine Britin kennen gelernt hatte. Es war die Enkelin eines britischen Soldaten, der am 18. November 1943 den Absturz eines Flugzeugs der Royal Air Force bei St. Martin überlebt hatte. Sergeant John William Windle. Die Britin war auf den Spuren ihres Großvaters unterwegs und interessierte sich für die Absturzstelle. „Die Frau, die mich ansprach, wusste gar nichts von meinem Fund zwei Monate zuvor. Sie wandte sich nur deshalb an mich, weil sie wusste, dass ich viel im Wald unterwegs bin und mich für Geschichte interessiere.“

Für die Britin war der Kontakt zu Praml ein Volltreffer. „Ich nahm sie mit zu der Stelle im Wald“, berichtet der St. Martiner. Die ganze Geschichte gehe ihm noch heute unter die Haut. Die beiden nahmen die Sauerstoffflasche dann mit und lagerten sie zunächst bei Josef Praml. „Im Flugzeug konnte die Frau sie ja nicht mitnehmen“, erklärt Praml.

Von Flugabwehr gesichtet

Über die Britin und Recherchen im Internet hat Praml inzwischen viel über den Flugzeugabsturz erfahren. Die Maschine, eine Short „Stirling“, war vom Flugplatz Downham Market, einem Dorf nördlich von Cambridge, gestartet, die achtköpfige Crew sollte Bomben über Mannheim abwerfen. Doch bei Edenkoben wurde das Flugzeug von der deutschen Flugabwehr gesichtet und abgeschossen. Sogar der Pilot des deutschen Flugzeugs ist bekannt, er hieß Hans-Georg Birkenstock und flog eine Messerschmidt Bf 110 G-4. Bei dem Absturz starben fünf der acht Besatzungsmitgliedern, drei überlebten, davon einer mit Hilfe eines Fallschirms. Sergent John William Windle.

Wie es nach dem Absturz weitergeht, geht unter anderem aus einem RHEINPFALZ-Artikel hervor. Denn Windle kam später mehrmals zurück nach Edenkoben. Er komme gerne in die Region zurück, weil ihm hier kein körperlicher Schaden zugefügt worden sei, zitierte ihn der Journalist der RHEINPFALZ. Dem Bericht zufolge hatte Windle zunächst Hilfe im Forsthaus Heldenstein gefunden. Der damalige Revierförster, Ludwig Vatter, und seine Frau hätten ihn zwei Tage lang versorgt und dann, wie es damals Pflicht war, der Polizei übergeben. Windle wurde verhört und kam dann ins Kriegsgefangenlager Stalag IVB Mühlberg, 80 Kilometer nordwestlich von Dresden. 1945 wurden er und die anderen Gefangenen befreit.

Zwei weitere Insassen überleben

Beschrieben ist auch, was aus den anderen Besatzungsmitgliedern wurde. Zwei Insassen, Flying Officer Norman Lampard und Sergent Thomas Verdun Lewis, überlebten, obwohl sie mitsamt dem Flugzeug abstürzten. Auch sie kamen in Kriegsgefangenschaft und kehrten später nach England zurück. Die anderen, darunter auch der Pilot, Flight Lieutentant John Philip Wallace, wurden zunächst auf dem Friedhof in Edenkoben bestattet und später auf den Soldatenfriedhof in Rheinberg in Niedersachsen überführt.

Bei einem der Besuche Windles in Edenkoben war auch ein kleines Mädchen dabei: besagte Britin, die 1988, ihren Großvater begleitete. Sieben Jahre alt war sie damals. Seit kurzem ist die inzwischen 43-Jährige im Besitz jener Sauerstoffflasche, die ihr Großvater beim Absturz auf dem Rücken trug. John William Windle, Jahrgang 1921, verstarb 2010 im Alter von 89 Jahren. Seine Enkelin lebt heute in Barcelona. Dort ist nun auch das Fundstück aus dem Jahr 1943. Kürzlich ergab sich die Möglichkeit, es per Pkw von St. Martin nach Spanien zu bringen.

Forschung geht weiter

Damit ist die Geschichte der Sauerstoffflasche zu Ende. Doch nicht die des Flugzeugabsturzes. Praml hat mittlerweile Kontakt zu einem Vertreter der IG Heimatforschung aufgenommen, der sich sehr interessiert an Pramls Fund zeigte. Diese 2016 gegründete Interessengemeinschaft besteht aus ehrenamtlichen Mitarbeitern und Historikern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Geschichte der Pfalz und darüber hinaus, von der Vorgeschichte bis zum Zweiten Weltkrieg, in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde, zu erforschen. Mitarbeiter Erik Wieman ist der Flugzeugabsturz nicht unbekannt. „Ein Zeitzeuge hat mir vor ein paar Jahren die ungefähre Stelle gezeigt“, berichtet er. Zusammen mit Praml will er sich den Bereich nun genau ansehen und dann in zusammen mit der Denkmalbehörde weiter untersuchen.

John Windle als junger Mann.
John Windle als junger Mann.
John Windle in späteren Jahren.
John Windle in späteren Jahren.
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