Neustadt „Keine Getriebenen sein“

91-79036504.jpg

Die Zeiten haben sich geändert – und damit auch die Planungsgrundlagen. Deshalb wollen die Stadtwerke Neustadt die Chance nutzen, Windräder bei Mußbach zu prüfen und damit selbst ihre Zukunft zu gestalten. Dabei sei das Ergebnis „total offen“.

Windräder auf den zumindest künftigen Konzentrationsflächen nahe Mußbach – diese Entwicklung komme nicht überraschend: Darin sind sich Oberbürgermeister Hans Georg Löffler als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke und deren Geschäftsführer Holger Mück und Torsten Hinkel gestern im RHEINPFALZ-Gespräch einig. Bei einer Klausurtagung des Aufsichtsrats sei schon früh über neue Geschäftsfelder nachgedacht worden. Ein Baustein könnten dabei Erneuerbare Energien sein. „Wir wollen keine Getriebenen sein, sondern selbst gestalten“, formuliert Mück, wie die Zukunft gesichert werden soll. Und so nahm Anfang 2015 alles seinen Lauf. Grundvoraussetzungen waren: eine neue Windkrafttechnologie, um durch höherer Anlagen einen größeren Ertrag auch in windschwächeren Gebieten zu erzielen, und die konkrete Fortschreibung des regionalen Raumordnungsplans, der andere Standorte als bisher ermöglicht, die von der Stadt selbst noch erweitert werden können. Und im Prinzip die einzigen sind, an denen Windkraft auf Neustadter Gemarkung möglich wäre. Sozusagen vollzogen wurde all das, indem der Stadtrat im Januar mehrheitlich eine Ausnahmegenehmigung vom noch gültigen Flächennutzungsplan von 2005 erteilt hat – die rechtlich umstritten ist. Parallel dazu hat die Juwi Energieprojekte GmbH (Wörrstadt) eine Genehmigung gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz beantragt, um zwei Windräder durch eine Fachfirma errichten zu lassen. Als möglicher Betreiber besitzen die Stadtwerke eine exklusive Kaufoption. Vor der Kooperation mit Juwi habe es Gespräche mit mehreren Projektierern gegeben, sagt Mück. Entscheidend für den Zuschlag für Juwi sei gewesen, dass Juwi „gewisse Renditeerwartungen“ garantiere. Sollten diese nicht erfüllt werden, zögen die Stadtwerke die Option nicht. Da nicht die Stadtwerke, sondern Juwi das Projekt entwickle, greift aus Mücks Sicht auch die Kritik des FWG-Landtagskandidaten Georg Krist nicht, dass gegen EU-Vergaberecht verstoßen werde. Gewisse Renditeerwartungen – das umfasst die Wirtschaftlichkeit, die ebenso kontrovers diskutiert wird wie das geschaffene Bauplanungsrecht. Worin Stadtwerke und Oberbürgermeister mit Juwi übereinstimmen: Die Investitionskosten können unter anderem durch die Lage in der Rheinebene und kurze Trassenwege niedrig gehalten werden. Was sich für die Stadtwerke günstig auf den Kaufpreis auswirken könnte. Da der Großteil fremdfinanziert werden würde, könnte der Kredit geringer ausfallen und damit auch die laufende Zinslast, die zudem durch aktuell niedrige Zinsen begünstigt würde. Ob diese Konditionen indes eine unter Umständen nicht allzu hohe Windausbeute wettmachen würden, dessen sind sich die Stadtwerke im Gegensatz zu Juwi keineswegs sicher. Wenn alle Daten und Fakten auf dem Tisch lägen, werde erneut diskutiert, sagt Oberbürgermeister Löffler. Auch mit den Banken, die durchaus Erfahrung mit solchen Projekten hätten und die auch nicht ohne weiteres Geld bereitstellten, nur weil die Stadtwerke ein kommunales Unternehmen seien. Auch die Pfalzwerke als Minderheitsgesellschafter der Stadtwerke seien dabei gefragt. Zudem verweist Geschäftsführer Hinkel auf externe Berater der Stadtwerke, „ganz unabhängig von Juwi“. Letztlich entscheide der Stadtrat, so Löffler, der auf Nachfrage auch darauf abhebt, dass die politischen Parteien frühzeitig eingebunden gewesen seien. Denn alle seien im Aufsichtsrat der Stadtwerke vertreten. Nach Löfflers Prognose „ist das Ergebnis total offen“. Anhand der Zahlen müsse sachlich diskutiert, dürfe kein Glaubenskrieg geführt werden. Das muss aus Stadtwerke-Sicht auch bei der Frage gelten, dass die Genehmigung noch 2016 erteilt werden soll. Wer noch in diesem Jahr eine Genehmigung erhält, kann noch mit einem festen Vergütungssatz für die Einspeisung von Strom aus Windenergie kalkulieren. Wie sich das Erneuerbare-Energien-Gesetz ab 2017 verändert, ist offen. Zwar wird es weniger geben, doch nicht automatisch für Standorte mit schlechter Windprognose (wir berichteten). Indes sei es für kleine Unternehmen wie die Stadtwerke nicht billig, an den dann notwendigen Ausschreibungsverfahren teilzunehmen, beschreibt Hinkel ein zusätzliches Kostenrisiko ab 2017. Das Argument von Projektgegnern, die Stadtwerke könnten mit dem Windpark-Projekt Kunden verprellen, wollen Mück und Hinkel nicht gelten lassen – ebenso viele Kunden könnten verprellt werden, wenn nicht stärker auf Erneuerbare Energien gesetzt würde. Die Windräder seien dabei nur ein möglicher Baustein, doch wolle man sich nicht nachsagen lassen, die Werke hätten sich nicht gerührt und nun werde ein anderer auf dem Gebiet aktiv. „Wir bekommen auch keine Vergütung, wenn sich die Rotoren nicht drehen“, sagt Mück, eingespeist werde direkt auf Hochspannungsebene. „Wir bewegen uns innerhalb der politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, für uns ist das Projekt völlig in Ordnung“, so die Geschäftsführer. Alles Weitere werde sich zeigen. (ahb) Lokalseiten 2, 5

x