Kirrweiler Konzert des Ensembles „Il Girotempo“

„Il Giratempo“ in der Marienkapelle in Kirrweiler.
»Il Giratempo« in der Marienkapelle in Kirrweiler.

Das Ensemble „Il Girotempo“ beendete mit Werken vornehmlich der Barockkomponistinnen Barbara Strozzi und Isabella Leonarda die „Kirrweiler Kammerkonzerte“ 2024. Das vollbesetzte Auditorium in der Marienkapelle erlebte Alte Musik auf Spitzenniveau und vor allem: erfrischen vital

Zum Ausklang der Saison 2024 bei den Kirrweiler Kammerkonzerten servierte Norbert Gamm in der vollbesetzten Marienkapelle nochmals einen musikalischen Festschmaus. „Il Giratempo“ – was so viel heißt wie die „Zeitenwandler“ –, das munter, crossover zwischen Alter Musik und Jazz pendelnde Ensemble um die Gitarre, Laute und Theorbe spielende Ausnahmekünstlerin Vanessa Heinisch gastierte in Viererformation mit einem ausgesuchten Frühbarock-Programm. Ausgesucht, schon deshalb, weil es ungeachtet seiner Fixierung auf die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts weit ausholte im Spektrum dieses spannenden Aufbruchs. Und erst recht, weil zwei Komponistinnen im Fokus standen und nicht eben weniger brillierten als ihre berühmteren männlichen Zeitgenossen.

Frauen als Schöpferinnen von Tonkunst – in der öffentlichen Wahrnehmung hat es da spät, sehr spät, eigentlich erst ab diesem Jahrtausend global so etwas wie einen Ruck gegeben. Hierzulande galt Mascha Blankenburg in den 1980er-Jahren noch als Exotin, als sie die Werke von Fanny Mendelssohn und Clara Schumann an die Oberfläche spülen half. Allmählich aber greifen die frühen Initiativen, scheint sich ein wahres Heer wunderbarer Tondichterinnen aus den über Jahrhunderte durch männliche Dominanz versiegelten Gruften an die Oberfläche und direkt auf die Podien zu begeben. Barbara Strozzi und Isabella Leonarda, die beiden Heldinnen dieses Abends, geboren 1619 beziehungsweise 1620 aber in unterschiedlichen Lebensentwürfen beheimatet, zählen nahezu prototypisch zu den frühen Vertreterinnen ihrer Zunft: Mit ihren Werken zu Lebzeiten durchaus anerkannt, verschwanden ihre Kompositionen nach ihrem Ableben postwendend.

Barocke Komponistinnen

Beide machten damals auf ihre Weise Karriere: Leonarda, Nonne und später Äbtissin, komponierte eine Fülle geistlicher Chor- und Solomusik auf eigene Texte, in denen das lyrische Ich – selbstbewusst – stets weiblich ist, dazu Kammermusiken. Barbara Strozzi wiederum, Adeligen-Mätresse, Mutter von vier Kindern und vor allem über die Maßen begabt, pflegte ihr gehobenes soziales Umfeld in Venedig mit einem freigeistigen Salon. Und vertonte Texte anerkannter Dichter, zuweilen allerlei, was nicht eben jugendfrei war.

Beider Kompositionen freilich könnten ein bisschen süchtig machen, so vital, so durch und durch up-to-date – im damals angesagten Duktus – kommen sie daher. Zumal wenn man sie in solch technisch wie darstellerisch exquisiten Weise serviert bekommt wie diesmal. Mit Vanessa Heinisch und ihrem faszinierend facettenreichen Spiel auf Barockgitarre und Theorbe, Matthias Bergmann, dessen Barockcello sich ebenso präzise wie vor allem elegant und nuanciert einbrachte; schließlich Max Volpers, der die Cembalo-Tastatur frisch eloquent zum Klingen brachte, und sich mit seinen atemberaubenden Virtuosen-Künsten auf Sopran- und Tenorblockflöte geradezu lustvoll in einen Girlanden-Zierrat von schier halsbrecherischen Ausmaßen verstrickte.

Frivol oder fromm

Und dann Karola Pavone, die sowohl Strozzis teils frech frivole Sujets wie auch Leonardas lebensbejahende Frömmigkeit zu wahren Bühnenereignissen stilisierte. Ihr kraftvoll voluminöser, dabei mit bemerkenswerter Leichtigkeit und Durchsichtigkeit durch alle Lagen makellos und geschmeidig geführter Sopran tastete die schillernden Facetten der bilderreichen Tonsprachen der Komponistinnen geradezu seismografisch ab. Und zauberte im Pasticcio aus hinreißender Stimme, Mimik und Körpersprache spannungsreiche kleine Opernwelten auf die pittoreske Altarbühne.

Dass Pavone eher auf den großen Musiktheaterbühnen, den bedeutenden Festival-Podien zuhause ist, lässt sich ahnen. Gleichwohl – mit der Alten Musik geht sie stilsicher um, vielleicht einen Ticken zupackender und zuweilen insistierender als gewohnt. Aber das tat wohl. Und illustrierte am eindrucksvollsten, wie sehr Strozzis Balladen – ob kess wie „Amor dormiglione“ oder herzzerreißend weh wie das „Lacrime mie“ – und Leonardas ausgefeilte Tonsprache, zum Beispiel in der Sonate Nr. 12, auf Augenhöhe mit den Werken ihrer männlichen Zeitgenossen rangieren.

Monteverdi als Zugabe

Giovanni Battista Fontana, Girolamo Kapsberger, Dario Castello und Michelangelo Rossi – die großen Namen der frühen Barockära – bildeten diesmal sozusagen nur die edle Eskorte für das an kompositorischer Stringenz und sinnlichem Klangrausch kaum zu überbietenden Setting aus der Komponistinnen-Manufaktur. Ein faszinierender Abend, der dann per Zugabe doch wieder männlich endete – mit dem barocken Übervater Claudio Monteverdi.

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