Neustadt Krautschau: Pflanzen in Fugen und Ritzen bestimmt

Kahles Bruchkraut wurde in der Moltkestraße gefunden.
Kahles Bruchkraut wurde in der Moltkestraße gefunden.

Gewöhnliches Greiskraut, Lanzett-Kratzdistel, Märzveilchen und Einwärtsgebogenes Krummstielmoos: Das sind nur vier der über 30 Pflanzenarten, die die gut zwei Dutzend Teilnehmer der „Krautschau“ in der Nähe des Neustadter Bahnhofs vorfanden. Eingeladen hatte zur Aktion in der vergangenen Woche die BUND-Kreisgruppe Neustadt.

Rückblende: Um mehr Bewusstsein für Wildpflanzen auf Gehwegen zu schaffen, hatte der französische Botaniker Boris Presseq 2019 die Idee, Mauerritzen- und Pflasterfugenpflanzen zu bestimmen und deren Namen mit Kreide unmittelbar davor auf Bürgersteige oder Straßen zu schreiben. Über die sozialen Netzwerke verbreitete sich dieser Einfall unter dem Hashtag #Morethanweeds (zu deutsch „Mehr als Unkraut“) in ganz Europa. 2021 griff der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) mit der #Krautschau die Idee erstmals deutschlandweit auf.

Zur Pflanzenbestimmung kann man sich mithilfe von Fachbüchern orientieren oder die kostenlosen Apps „ObsIdentify“ oder „Flora Incognita“ aufs Handy laden, dann die Pflanze fotografieren, den durch die App ermittelten Namen der Pflanzenart mit Straßenmalkreide davor aufs Pflaster schreiben und #Krautschau dazufügen: Vor der Kantine 16 am Neustadter Hauptbahnhof führte Anne Coels vom BUND in die Aktion ein.

Verwunderte Blicke

Los ging’s mit der Kohl-Gänsedistel direkt am Kantinengebäude. Gleich daneben konnten Kompasslattich, Strahlenlose Kamille und der Schmalblättrige Doppelsame, besser bekannt als Wilde Rauke, identifiziert werden.

Am Gebäude der Bundespolizei wurden dank der violett-gelben Blüten der Bittersüße Nachtschatten und gegenüber am städtischen Gebäudemanagement unter anderem Knoblauchsrauke und Kleiner Storchschnabel entdeckt.

Verwunderte Blicke von Passanten erntete die Gruppe, als sie in der Landauer Straße die Namen der an den Häusersockeln wachsenden Pflanzen, darunter Märzveilchen, Raue Gänsedistel und Kahles Ferkelkraut, auf dem Boden niederschrieb.

Pflanzen mit vielen Vorzügen

Mäusegerste, Hundskerbel und Kleinblütiger Pippau wurden anschließend in der Moltkestraße aufgefunden. Mit Feuereifer dabei war die siebenjährige Maja. Unter Anleitung der Erwachsenen schrieb sie etliche Pflanzennamen auf das Pflaster.

„Die Krautschau stärkt das Bewusstsein der Menschen für diese Pflanzen“, erklärte Coels. Die grünen, oft übersehenen Überlebenskünstler haben viele Vorzüge: Sie binden Staub und leiten Regenwasser in den Boden mittels ihrer Wurzeln ab, die gleichzeitig winzige Lebensräume für Spinnen, Insekten und Schnecken sind, die wiederum Igeln und Vögeln als Nahrung dienen können. Ihr Blütenangebot sorgt zudem für den Erhalt der Artenvielfalt, insbesondere bei Wildbienen. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass auch winzige Fugenpflanzen mit ihrer Transpirationskälte innerorts zur Abkühlung beitragen und die Luftfeuchtigkeit in bodennahen Luftschichten erhöhen.

Nächstes Jahr soll die BUND-Aktion im Neustadter Stadtgebiet an anderer Stelle fortgeführt werden, erklärte Coels. So mancher der Teilnehmer möchte nicht bis dahin warten: „Ich werde jetzt immer ein Stück Kreide mit dabei haben“, versicherte eine Dame aus Diedesfeld.

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