Neustadt Mal nah, mal fern der Heimat

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Neustadt. Berlin, München, Hamburg, Graz, Trier, Mannheim, Oberstdorf – die Liste, der Städte in denen das „Mandelring Quartett“ in den nächsten Monaten seine Visitenkarte abgibt, ist lang und prominent. Zum Glück sind die vier Musiker, von denen drei Neustadter Wurzeln haben, allerdings auch weiterhin immer wieder in ihrer Heimat zu erleben: bei der Kammermusikreihe, die das Quartett seit 2010/11 im Saalbau offeriert. Die neue Saison 2016/17 startet am 5. November.

„Fern der Heimat“

trägt dieses erste Konzert sinnigerweise im Titel, was allerdings nicht in erster Linie als Anspielung auf die vielen auswärtigen Gastspiele des Quartetts zu verstehen ist, sondern sich auf das Programm bezieht. Zu hören sein werden dabei nämlich Haydns Streichquartett D-Dur op. 71/2, 1793 geschrieben während seines England-Aufenthalts, Berthold Goldschmidts 2. Streichquartett aus dem Jahre 1936, geschrieben im Londoner Exil, und Dvoráks berühmtes „amerikanisches Quartett“ in F-Dur op. 96. Haydn und Dvorák kann man getrost als bekannt voraussetzten. Das ist bei Goldschmidt etwas anders: Der Schreker-Schüler arbeitete mit Berg, Schönberg und Webern, wurde von den Nazis aus Deutschland vertrieben, lebte fortan in London und blieb nur wenigen im Gedächtnis durch seine Mitarbeit an der umstrittenen Aufführungsversion der 10. Sinfonie von Gustav Mahler. Wie so oft findet sich bei dem „Fern der Heimat“-Konzert, das übrigens ungewohnterweise auf einen Samstag fällt, also wieder ein „Exot“ in der Mitte des Programms, eingerahmt von zwei guten alten kammermusikalischen Bekannten. Unter dem einprägsamen Titel „Genie und Wahnsinn“ folgen beim zweiten Saisonkonzert am 4. Dezember dann Mozarts Streichquartett B-Dur KV 458, das auch als „Jagdquartett“ bekannt ist, Viktor Ullmanns Streichquartett Nr. 3, ein Werk aus dem Jahre 1942, und schließlich Schumanns Streichquartett A-Dur op. 41 Nr. 3. Mit Viktor Ullmann würdigt das „Mandelring Quartett“ wie im Falle Goldschmidts einen Komponisten, der von den Nazis denunziert, verfolgt und in diesem Fall sogar ermordet wurde: Einen Teil seiner äußerst berührenden Musik schuf der Österreicher in Theresienstadt und in Auschwitz, wo er 1944 zu Tode kam. Kurz darauf, wenn auch schon im nächsten Jahr, wartet ein echtes Highlight auf das Neustadter Publikum: Am 22. Januar gibt es unter dem Titel „Mandelring plus“ das CD-Release-Konzert mit den beiden Brahms-Quintetten. Diese formvollendeten Spätwerke fordern einen zweiten Bratscher, den das „Mandelring-Quartett“ mit einem alten Bekannten zur Verfügung hat: Roland Glassl, der ehemalige Bratscher des Quartetts nimmt am zweiten Viola-Pult Platz. Die beiden Brahms-Quintette werden von zwei Werken für Streichquartett von György Kurtág begleitet und vielleicht auch ein wenig aufgemischt: einem inzwischen 90-jährigen ungarischen Komponisten, dessen atonale Werke seit einiger Zeit immer populärer werden. Beim vierten Saisonkonzert am 19. Februar erwarten die Besucher dann drei wahre Leckerbissen der Quartettliteratur! Die „Musikhauptstadt Wien“ betitelte Auswahl präsentiert Haydns Streichquartett F-Dur op. 50/5 „Ein Traum“, Schuberts bezauberndes „Rosamunde“-Quartett a-Moll D 804 und Beethovens Streichquartett e-Moll op. 59/2 – ein Programm also, das selbst bei ausgesprochen konservativen Hörern für rundes Wohlgefallen sorgen dürfte. Ein Sahnehäubchen gibt es dann noch im Mai 2017, wenn das „Mandelring Quartett“ die beiden Brahms-Sextette zusammen mit Glassl und dem Cellisten Wolfgang Emanuel Schmidt folgen lässt, womit die Streicher-Kammermusik von Brahms dann komplettieren wäre. Der genaue Termin steht noch nicht fest. Auch sonst erlaubt sich das Quartett kaum Ruhepausen. Außerhalb der Pfalz stehen im Juli die „Max-Reger-Tage“ in Weiden an, im August geht es nach Oberstdorf zum „Musiksommer“ und der „Schubertiade“ im österreichischen Schwarzenberg. Im September steht das Internationale Mendelssohn-Festival in Hamburg an, wo das Quartett sowohl spielen als auch lehren wird. Im Oktober spielen sie anlässlich des mittlerweile schon dritten Mannheimer Mendelssohn-Zyklus. Im November sind die Musiker schließlich in der Berliner Philharmonie und beginnen anschließend eine neue Kammermusik-Konzertreihe in der Münchner Residenz. Die Programme fächern sich dabei wie üblich sehr weit auf: Sie reichen von Haydn-Quartetten bis zu Zeitgenössischem. Außerdem, so verrät Bernhard Schmidt, der Cellist des Quartetts, im Gespräch, stehen die Erarbeitungen der Impressionisten, also zunächst der einzigartigen Streichquartette von Ravel und Debussy an, die dann auch im kommenden Jahr als Einspielung vorliegen sollen. Logischerweise soll sich daran Faurés Streichquartett op. 121 anschließen. Ferner gibt es in diesem Bereich noch weitere ungehobene Schätze der Kammermusik, die das Quartett zutage fördern will. Man darf also gespannt sein. Und im Februar 2017 geht es mit all diesem Repertoire im Gepäck zu einer Konzertreise in die USA. Ein beeindruckendes Pensum und eine künstlerische Schaffensbreite, die von Elan und dem Willen, neue Ufer zu erforschen, zeugt. Das alles in Perfektion darzubieten, ist kompliziert genug. Dazu kommt aber immer auch der besondere Moment, wenn im Konzert die Funken fliegen. „Man muss ein Level an Perfektion haben, aber es darf nie das Ziel sein“, sagt Bernhard Schmidt dazu. Das und die Freiheit im Umgang mit dem Werk ist es wohl, was den Ton und die Spielart des „Mandelring Quartetts“ so einzigartig macht. Noch Fragen? Alle Konzerte finden im Saalbau statt, die sonntäglichen ab 18 Uhr, das am Samstag ab 19.30 Uhr. Einzelkarten kosten in der ersten Kategorie 33 Euro, in der zweiten 22 Euro und für Schüler und Studenten 5 Euro. Abonnements gibt es für 99 bzw. 66 Euro. Karten über den Freundeskreis (06321/ 92043, www.hambachermusikfest.de) oder die Theaterkasse der Stadt (06321/ 855404). Zu allen Konzerten gibt es eine Stunde vor Beginn eine Einführung. |ibm

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