Neustadt Mit KI im Wingert und am Weinglas

Beim Forschungsprojekt PINOT am DLR prüft eine elektronische Nase den Wein.
Beim Forschungsprojekt PINOT am DLR prüft eine elektronische Nase den Wein.

Künstliche Intelligenz gewinnt rasant an Bedeutung. Auch vor dem Weinbau macht sie nicht Halt, wie Dominik Durner vom Weincampus Neustadt weiß. Die Pfälzer Weinbaubetriebe stehen dabei mit Blick auf die Zukunft vor einer schwierigen Entscheidung.

Die Digitalisierung hat die Weinbaubetriebe natürlich längst erreicht. Die Arbeit im Weinberg, die Verarbeitung von Trauben, die Weinbereitung und der Handel basieren zunehmend auf digitalen Daten, die Qualitätsmanagement garantieren. Die Transformation vom Analogen zum Digitalen sei längst noch nicht abgeschlossen, sagt Dominik Durner, Professor für Lebensmitteltechnologie und Oenologie. „Die Digitalisierung hat so einiges verändert und wird noch vieles verändern. Wir haben eine Halbzeit hinter uns, die zweite liegt noch vor uns“, sagt Durner. Auch in der Weinproduktion und im Weinhandel würden mittlerweile sehr große Mengen an Daten generiert, speziell in großen Weingütern, Genossenschaften und Kellereien sowie im Lebensmitteleinzelhandel und im Online-Handel.

Auf diese Entwicklung sattelt die Künstliche Intelligenz (KI) auf. Das habe am Weincampus vor etwa fünf Jahren begonnen, sagt Durner. Da ging es darum, mit Algorithmen, die sich selbst anpassen können, riesige Datenmengen zu durchforsten, zu analysieren und daraus Empfehlungen abzuleiten, etwa für den Pflanzenschutz. Aber auch generative KI, die selbst etwas erstellt, werde immer mehr zum Thema. Dieser Bereich sei insbesondere für die Weinvermarktung interessant, erläutert Durner.

Möglichst viele Daten

KI könne dabei helfen zu entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für bestimmte Arbeiten im Weinberg ist oder wie man am besten mit gewissen Wetterphänomenen umgeht, erklärt der Hochschullehrer vom Weincampus Neustadt am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR). Auch die Bodenbearbeitung, die Bewässerung von Junganlagen und der Pflanzenschutz könnten zukünftig durch KI-Modelle optimiert werden.

Damit die KI auch wirklich gut funktioniert, muss sie auf möglichst viele Daten zurückgreifen. Big Data ist das Stichwort. Für einen Internetriesen wie Amazon sei das einfacher, verdeutlicht Durner. Demgegenüber hat ein Winzerbetrieb in der Pfalz natürlich keine Chance. Oder doch? „Wir brauchen eine gewisse Grundlage, um KI für bestimmte Aufgaben einsetzen zu können“, sagt der Experte. Um KI-Modelle zu bauen, müssen einige Betriebe am gleichen Strang ziehen. Das werde bereits in zahlreichen Projekten so praktiziert. Aber Durner weiß auch, dass dabei die Integrität der Betriebe erhalten bleiben muss. Bei allem Streben nach immer mehr Daten müsse ein Weinbaubetrieb genauso wie Amazon und andere Wirtschaftsunternehmer sein Betriebsgeheimnis wahren dürfen.

Grundsätzlich sieht Durner in der KI Chancen gerade für die Weinbranche: Viele Produzenten machten da viele Produkte für viele Konsumenten. Und dazu komme das sensorische und kulinarische und touristische Erlebnis, das Kunden mit Wein verbinden.

Im April gab es am Weincampus eine Veranstaltung mit dem Titel „Wine meets AI“ (Wein trifft KI). Durner hat die Winzer dort als sehr aufgeschlossen für das Thema KI erlebt. Aber er hat gleichwohl gemerkt, dass dabei auch Ängste mitschwingen. Die Erzeuger sorgten sich, was mit den Daten ihres Weinguts passiere, ob ihre Betriebsgeheimnisse sicher seien.

Kaum wegzudenken ist der Einsatz von KI im Marketing, dort werden die zukünftigen Entwicklungen auch schon stark von dieser Technologie getrieben, sagt Durner. Die US-amerikanische Weinbranche etwa greife mittlerweile stark auf individualisierte Werbemaßnahmen zurück. Aber auch deutsche und pfälzische Betriebe entdeckten die Möglichkeiten zunehmend für sich. Dabei gehe es darum, sehr konkret einzelne Zielgruppen anzusprechen. Mit individualisierten Botschaften oder individualisierter Werbung werde auf die jeweiligen Präferenzen eingegangen. Der Professor sieht hier sehr großes Potenzial für die Pfalz: „Wir haben alles an Wein, was das Herz begehrt.“

KI erkennt Fehlgerüche

KI dürfte künftig auch in der Weinsensorik zum Einsatz kommen. Der Weincampus forscht daran. So wurde gemeinsam mit anderen Forschungsinstituten und Partnern aus der Industrie aus verschiedenen Detektoren eine elektronische Nase zusammengebaut, deren Rezeptoren Moleküle des Weinbouquets erkennen können. Die Forscherinnen und Forscher setzten diese „Nase“ dazu auf ein mit Wein gefülltes Glas und sagen der Maschine, wie viel Wein sich darin befindet. Detektoren und KI lieferten dann eine Analyse, die vor allem bei einigen Fehlgerüchen ganz gut funktioniere. „Weine, die tagelang in Anbruchflaschen herumstanden, konnten wir damit gut erkennen und aussortieren“, berichtet Durner. Es gelang aber auch, positive Aromen zu entdecken und zwischen Zitrus-, Beeren-, und floralen Aromen zu unterscheiden. Aktuell wird die elektronische Nase trainiert zu erkennen, welche Rebsorte im Glas ist. Schwieriger wird es dann, das Anbaugebiet und das Produktionsjahr zu identifizieren, sagt Durner. Aber das sei nur eine Frage der Zeit, aktuell sei die hinterlegte Datenbank dafür einfach noch nicht groß genug.

Mit KI wird weltweit auch in anderen wichtigen Bereichen geforscht: im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung etwa. Dabei geht es um die Frage, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist, auch wenn das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Am Weincampus nahm man den Wein in den Fokus – mit einem Detektor, der Oxidationsaromen wahrnehmen und damit erkennen kann, ob der angebrochene Wein noch guten Gewissens zu präsentieren ist. In anderen Forschungsprojekten wird auf diese Weise geprüft, ob Milch oder Käse schon verdorben sind.

Das Ziel lautet letztlich, Handgeräte mit diesen Detektoren zu entwickeln, damit die Verbraucher ihre Lebensmittel selbst testen können. Mit Blick auf den Wein könnte das auch für Händler interessant sein, um zu prüfen, ob Transportschäden aufgetreten sind. Noch ist das alles Zukunftsmusik. Die vorhandenen Geräte seien Prototypen und würden noch viel zu viel kosten, sagt Durner. Gleichwohl geht der Hochschullehrer davon aus, dass es in nicht allzu ferner Zukunft kommerzielle Geräte gibt. Und dann kann der Verbraucher einfach selbst überprüfen, ob er den abgelaufenen Joghurt noch essen oder den Wein seinen Gästen noch vorsetzen kann.

Die Serie

Das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Mußbach feiert sein 125-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum finden am 31. August und 1. September zwei Tage der offenen Tür statt. Dabei werden alle Bereiche ihre Arbeit präsentieren und Einblicke in die Forschung geben. Im Vorfeld stellen wir verschiedene DLR-Arbeitsgebiete vor.

Dominik Durner
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Wer nicht lesen will, kann hören: Sie wollten schon immer wissen, wie man die vielen Flaschen Wein, die man zu Hause hat, am besten lagert? Oder welche Unterschiede es zwischen verschiedenen Rebsorten gibt? Dann sind Sie hier genau richtig: In unserem kostenlosen Podcast "Wissensdurst" löchern Sonja Hoffmann und Rebecca Singer die Weinexpertin Janina Huber mit Fragen rund um das Thema Wein.  

An dieser Stelle finden Sie Umfragen von Opinary.

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