VG Lambrecht Notarztversorgung: Vier Ärzte ziehen sich aus Protest zurück

Manfred Reiber übernimmt bisher unter der Woche den Löwenanteil der notärztlichen Tagesbereitschaftsdienste.
Manfred Reiber übernimmt bisher unter der Woche den Löwenanteil der notärztlichen Tagesbereitschaftsdienste.

Das Notarzt-Team in der Verbandsgemeinde Lambrecht will ein Zeichen setzen: „So geht es nicht mehr weiter“, sagt Manfred Reiber, Arzt in Weidenthal. Er ist derjenige, der seit Jahren die meisten Dienste schiebt. Doch die jüngste Entwicklung in Sachen Vergütung will er nicht hinnehmen. Die Kreisverwaltung bedauert den Schritt.

Manfred Reiber hat sich sein ganzes Berufsleben lang für die Notarztversorgung in der Verbandsgemeinde Lambrecht engagiert. Seit 1986 ist er Hausarzt in Weidenthal, bis 2013 haben er und weitere Mediziner aus der Verbandsgemeinde Lambrecht den Bereitschaftsdienst quasi im Ehrenamt übernommen. 2013 wurde die Situation schwierig, und damals wurde ein neues Modell entwickelt. Mit diesem übernahmen drei in der Verbandsgemeinde Lambrecht ansässige Ärzte den Notarztdienst großenteils, und in den Randzeiten sprangen externe Ärzte ein. Inzwischen jedoch gibt es in der Verbandsgemeinde Lambrecht nur noch Manfred Reiber als Notarzt. Und: Die Anzahl der Einsätze ist deutlich gestiegen, laut Reiber seit 2013 auf mehr als das Doppelte. Das hat Folgen für Reibers Praxis. Denn wenn der Piepser der Rettungsleitstelle ertönt, heißt es für den 67-Jährigen: alles stehen und liegen lassen, rein ins Auto und mit Blaulicht losdüsen. Die Patienten im Wartezimmer haben dann das Nachsehen. Sie müssen warten, bis Reiber zurück ist oder einen neuen Termin ausmachen - häufig am Abend, wenn Reibers Arbeitstag eigentlich zu Ende wäre.

Reiber hat es bisher hingenommen, dass er lediglich eine Vergütung für die Einsätze erhält – eine Pauschale in Höhe von 102 Euro – jedenfalls in den meisten Fällen. Das auch diese nicht immer fällig wird (sie wird beispielsweise nicht gezahlt, wenn der Notarzt bereits unterwegs ist, aber kurzfristig wieder abbestellt wird), ist ein Detail. Das eigentliche Problem war – beziehungsweise ist – dass die zahlreichen Einsätze die Wirtschaftlichkeit des Praxisbetriebs beeinträchtigen. Carla Bernius, hauptberuflich Leiterin der zentralen Notaufnahme am Hetzelstift und ehrenamtlich Leiterin des Notarzt-Standorts Lambrecht, beziffert die Anzahl der Einsätze mit rund 500 pro Jahr. Bernius sowie zwei weitere Ärzte ergänzen das Notarzt-Team der Verbandsgemeinde. Sie springen dann ein, wenn Reiber nicht kann. Alle drei Mediziner nehmen sich in diesen Fällen einen freien Tag und erhalten für ihren Bereitschaftsdienst ein Honorar. Derzeit liegt das bei 38 Euro pro Stunde. Das gesamte Team sei der Ansicht, dass es nicht mehr vertretbar sei, dass Reiber den Bereitschaftsdienst ehrenamtlich übernimmt. Er solle dafür eine monatliche Pauschale erhalten, so der Vorschlag. Dieses Anliegen wurde vorgebracht, als es im vergangenen Jahr um die Verhandlungen über eine Anpassung der Tarife für den Notarztdienst ging.

Überraschung bei Prüfung der Rechnungen

Diese werden alle paar Jahre geführt. Am Tisch im Falle des Standorts Lambrecht: die Kreisverwaltung und die Kostenträger, also die Krankenkassen. In puncto Pauschale für Reiber war auch Bernius involviert. Das System sei ja ziemlich komplex, deshalb habe sie in Absprache mit der Kreisverwaltung selbst mit dem Vertreter der Krankenkassen gesprochen, erklärt Bernius. Das Ergebnis: „Mein Ansprechpartner bei den Kassen akzeptierte das“, so die Medizinerin. Ausgemacht worden sei eine Pauschale für Manfred Reiber in Höhe von 1600 Euro.

Die Überraschung kam dann jedoch, als Bernius die Abrechnungen überprüfte. Dabei stellte sich heraus, dass die Pauschale, die aus Sicht des Notarzt-Teams Reiber zusteht, mit dem Honorar für externe Notfallärzte (also Bernius und zwei weitere Kollegen) verrechnet wurde. „Im Juli hatte das beispielsweise zur Folge, dass Manfred Reiber von der Pauschale nur 40 Euro blieben“, rechnet Bernius vor. Obwohl er das Gros der Dienste übernommen habe.

Die Kreisverwaltung sieht das anders. „Diese Pauschale wird für alle am Tagdienst teilnehmenden Notärzte gezahlt, nicht persönlich an Herrn Reiber“, betont Elke Thomas, Büroleiterin bei der Kreisverwaltung. So sei es in der Vereinbarung mit den Kassen festgehalten worden. Diese Vereinbarung ist laut Thomas im April abgeschlossen worden, rückwirkend zum 1. Oktober 2023. In den Verhandlungen sei erreicht worden, dass die Bereitschaftspauschalen angepasst werden und zusätzlich – neu – eine monatliche Pauschale gezahlt wird. Dadurch sei eine Verbesserung erzielt worden.

Bernius: Anders besprochen

Bernius indes ist der Meinung, dass in dem Gespräch mit dem Vertreter der Krankenkasse etwas Anderes besprochen worden sei. Als sie sich deshalb an die Kreisverwaltung wandte, habe sie einen gescannten Auszug aus dem Vertrag zwischen Kreis und Krankenkasse erhalten, aus dem hervorging, dass das Vorgehen so beschlossen worden ist. Die Medizinerin redet sich nun in Rage. Denn an diesem Punkt zeigt sich ihrer Meinung nach ein grundlegendes Problem. „Wir Ärzte haben bei den Verhandlungen zwischen Kreis und Krankenkasse nicht mit am Tisch gesessen“, berichtet sie. Sie kenne noch nicht einmal den Vertrag, obwohl sie mehrfach um Einsicht gebeten habe. Laut Thomas war dies ein Versehen.

Auf jeden Fall: Bernius hat nach etlichen Mail-Wechseln mit der Bitte, die Abrechnungen zu korrigieren, gegenüber dem Kreis schließlich angekündigt: „Wir werden keine Tagesbereitschaftsdienste mehr übernehmen, bis das geklärt ist.“ Sie spreche dabei auch im Namen der beiden anderen Notärzte. Es sei ohnehin sehr schwer, Ärzte für den Notarztdienst zu finden. Dass deren Honorar aber quasi ihrem Kollegen Reiber abgezogen werde, sei für sie untragbar. Thomas bleibt jedoch dabei, dass die Pauschale nie nur für Reiber gedacht gewesen sei.

Beide Seiten bedauern nun, dass die Situation sich so zugespitzt hat. Thomas weist darauf hin, dass sie mehrere Gesprächstermine angeboten habe, die jedoch von Bernius abgesagt worden seien. Die Notfallärztin bestätigt, dass sie dringende berufliche Termine hatte und das Gesprächsangebot nicht wahrnehmen konnte. Ihre Funktion als Leiterin des Notarztteams sei schließlich ein Ehrenamt, sie müsse sich dafür frei nehmen, erklärt sie.

Längere Wartezeiten im Notfall

Sie hoffe, dass es bald zu einer Einigung komme. Denn der Wegfall des notärztlichen Tagesdienstes führe dazu, dass es im Notfall in der Verbandsgemeinde deutlich länger dauere als bisher, bis ein Arzt zur Stelle sei. Aufgrund der Größe des Gebietes und der schmalen Straßen seien diese Zeiten ohnehin vergleichsweise lang, etwa zehn bis 18 Minuten. Komme der Arzt aus Neustadt, verlängere sich diese Zeit um weitere 15 Minuten, wenn er aus Kaiserslautern kommt, um bis zu 35 Minuten.

Reiber weiß aus langjähriger Erfahrung, dass das Leben kosten kann. „Wenn Neustadt das Tal mit versorgen soll, dann ist das eine Zeitbombe“, sagt er. Dieser Vorschlag sei immer mal wieder gekommen, wenn es um die Sicherstellung der Notarztversorgung ist. Doch für ihn sei das kein gangbarer Weg.

Bisher hat auch die Verbandsgemeinde Lambrecht dazu beigetragen, die schwierige Finanzierung zu stemmen. Jährlich wurde dafür ein Beitrag in Höhe von 16.900 Euro zur Verfügung gestellt. „Aus diesem Topf sind bisher die externen Ärzte bezahlt worden“, erklärt Bernius. Also auch sie selbst. Auch für 2024 hat die Verbandsgemeinde diese Summe in den Haushalt eingestellt. Die Beträge für die Honorare wurden üblicherweise von der Kreisverwaltung angefordert. Seit Inkrafttreten der neuen Vereinbarung gibt es dafür aus Sicht der Behörde jedoch ein monatliches Budget der Kassen in Höhe von 1600 Euro.

Noch 15.000 Euro im Haushalt

Bei der Verbandsgemeinde Lambrecht stehen indes derzeit noch rund 15.000 Euro zur Finanzierung der Notarztversorgung im Haushalt bereit, wie die Beigeordnete Sybille Höchel (CDU) auf Anfrage erklärt. Der Beschluss des Verbandsgemeinderats gelte derzeit bis Ende 2024. Warum die Gelder nicht mehr abgerufen würden, wisse sie nicht, sie kenne auch die Vereinbarung zwischen Kreis und Kassen nicht. Höchel betont: „Wir unterstützen Manfred Reiber.“

Wie es nun weitergeht, soll in einem Gespräch mit allen Beteiligten am 28. August besprochen werden, informiert Thomas. Sie hätte sich gewünscht, dass die Notärzte diesen Termin abgewartet hätten, bevor sie ihre Entscheidung, keine Tagesbereitschaftsdienste mehr zu übernehmen, öffentlich machten. Bei Notfällen im Tal müsse die Rettungsleitstelle in Ludwigshafen nun schauen, wo ein Notarzt zur Verfügung steht, der einspringen kann. Etwa in Neustadt oder in Kaiserslautern. Sicher sei jedenfalls, dass von Seiten der Kassen „nicht mehr Geld in den Pott“ komme.

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