Neustadt Von guten Mächten wunderbar geborgen
«Hassloch». „35 Jahre unterwegs ...“ ist der Titel des Tourneeprogramms, mit dem Marcel Adam, einer der bekanntesten und beliebtesten Chansonniers der Region, am Freitagabend auch im Kulturviereck in Haßloch Station machte. Der Saal war voll, der Großteil der Besucher „Mehrfachtäter“, die den Sänger und Liedermacher wie einen lieben alten Bekannten mit großer Begeisterung begrüßten und feierten.
Charmant nimmt der Künstler die Huldigung entgegen, legt die Hände vor der Brust zusammen, verbeugt sich leicht: „voilà“. Die Begrüßung erinnert entfernt an einen religiösen Ritus. Doch die ruhige Ankündigung des für die Tournee zusammengestellten Repertoires, „ein gesunder Mix“ aus früheren Konzerten, wird jäh unterbrochen, als Marcel Adam sich auf dem hinter ihm stehenden Hocker niederlassen will und dessen Sitz in die Tiefe saust. Besonderes handwerkliches Geschick offenbart in diesem Moment Christian di Fantauzzi, der Mann mit dem knallroten Akkordeon. Er holt sich das notwendige Werkzeug, schraubt ein bisschen, und die Show kann weitergehen. Adam begrüßt sein Publikum mit „Gut, wieder hier zu sein“ von Hannes Wader, dessen Musik ihn ebenso wie die von Reinhard Mey am Anfang seiner Karriere stark beeinflusst hat. Er singt, lächelt dabei charmant und strahlt so lausbubenhaft, dass es schwerfällt, hinter dieser Lockerheit den Perfektionisten zu sehen, der er ist. Nur in ganz wenigen Momenten zeichnet sich ein paar Wimpernschläge lang Anspannung auf seinem Gesicht ab. Nebenbei lässt er Momente aus seinem Leben einfließen; dass er 13 Jahre lang mit Wolfgang Winkler als französisch-deutsches Duo „Adam und Winkler“ Musik gemacht hat. „Rotzschlecht“ seien sie am Anfang gewesen, aber dennoch gebucht worden. Schon damals habe Gilbert Becauds „Natalie“ zum Repertoire gehört, das auch in dieser Rückschau nicht fehlen darf. Doch Marcel Adam kupfert nicht ab, sondern gibt Titeln anderer Autoren mit seiner Stimme und Interpretation eine eigene unverwechselbare Prägung. Das trifft auf seine unwiderstehlich spitzbübische dargebotene Version von Michel Delpechs „Pour un flirt avec toi“ ebenso zu wie auf das unvergessene „Non, je ne regrette rien“ von Edith Piaf, die französische Übersetzung „La fille du Nord“ von Bob Dylans „Girl from the North Country“ oder „Dans le port d’Amsterdam“ von Jacques Brel. Das untermalt der ihn begleitende Gitarrist Christian Conrad stellenweise mit Tönen so klar wie Glas. „Bravo“, ruft das Publikum hingerissen. Sinistre Hafenatmosphäre klingt auch bei einem Titel der deutschen Band „Element of Crime“, „Ein Hotdog unten am Hafen“, an. Mit der Musik dieser Band habe er sich während der letzten beiden Monate kuriert, lässt er einfließen, als es ihm schlecht ging. Autobiographisches bringt er ansonsten in Liedern in seiner lothringischen Mundart zur Sprache, in deren Refrains das Stammpublikum gern und sicher einstimmt. Die Erinnerung an seine Großmutter Anna, von der er aufgezogen wurde, verarbeitet er in „Onna uff de Bonk“. „On min Radio“ erzählt davon, wie er als Kind Musik im Transistorradio gehört hat. „Musik, Musik, scheeni Musik“, singt das Publikum wie verzaubert mit. Er sagt, dass die Zeiten für Musiker schwerer geworden seien, und davon, dass er schon ans Aufhören gedacht habe. Doch das Publikum „gibt mir immer viel Kraft“. Ebenso sein Sohn Yann Loup. Mit ihm will er in diesem Jahr eine neue CD aufnehmen. Er erzählt, wie die Lothringer das Jodeln erfunden haben, kritisiert das unverständliche Nuscheln vieler Sänger, er ist witzig und lustig und kann böse sein. Vor allem aber fordert er mit seinen anspruchsvollen Texten Aufmerksamkeit und zieht gleichzeitig mit seiner Musik und Stimme die Besucher in seinen Bann. Das zeigt sich ganz besonders noch einmal bei seinem traditionellen Schlusslied, Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Ganz still ist es da im Publikum, bis Marcel Adam die Arme zum Abschied ausbreitet und lang anhaltender Beifall sich Bahn bricht. Natürlich ist da noch eine Zugabe drin, und begleitet von viel „Schubiduba“ und Applaus verlassen die Musiker mit „Das schönste Mädchen vom Westerwald“ der kölschen Band „Die Höhner“ die Bühne.