Neustadt Von Rio bewegen lassen

91-87545990.jpg

Olympia läuft auf Hochtouren. Dabei wird immer wieder deutlich: Über diesen Spielen liegt eine unvergleichliche Spannung. Bei der Entscheidung für Rio in 2009 war man voller Euphorie. Ein Motto wurde geprägt: „Leidenschaft und Transformation.“ Und das war nicht aus der Luft gegriffen, entkamen doch beispielsweise seit 2000 tatsächlich 36 Millionen Brasilianer der extremen Armut. Der Bürgermeister von Rio war damals voller Hoffnung: „Durch die Spiele wächst unsere Stadt zusammen.“ Doch dann kam eine tiefe Wirtschaftskrise. Und heute ist klar: Die Spiele treiben Rio eher auseinander. Wiederholt sich die Geschichte, die den Ureinwohnern Unterdrückung, Sklaverei und Ausbeutung brachte? Das Abholzen der Regenwälder gehört zu den gegenwärtigen Folgen dieser Kolonialzeit. Und jetzt Erfahrungen subtiler Fremdbestimmung: 80.000 Bewohner von Favelas (eine lag neben dem Olympiapark) wurden seit 2009 zwangsumgesiedelt. Nur einige wenige widersetzen sich. Pfarrer Pirmin Spiegel, der Geschäftsführer des bischöflichen Hilfswerks Misereor, der mehrere Jahre in Brasilien gearbeitet hat, berichtet, im Bundesstaat Rio de Janeiro seien 50 staatliche Schulen seit dem Jahr 2013 geschlossen und die Kapazitäten der Krankenhäuser immer mehr abgebaut worden. Von den Investitionen in den Öffentlichen Nahverkehr hätten im Wesentlichen jene Stadtbereiche profitiert, die auf den Verbindungsstrecken zu den Sportstadien, Flughäfen oder den Hotels der Millionenstadt liegen. Sind wir und unsere Sportler in einer ohnmächtigen Zuschauerrolle? Es scheint so. Aber es muss nicht so bleiben. Unter dem Leitwort „Rio bewegt. Uns.“ haben sich katholische Verbände, Organisationen und Hilfswerke mit dem Deutschen Olympischen Sportbund zusammengetan. Wenn die Spiele abgeschlossen sind, werden Sportler und Funktionäre in Rio soziale Projekte besuchen, so die Vereinbarung. Hinter die Kulissen schauend werden sie das andere Brasilien, das andere Rio wahrnehmen, die Welt der Armen. „Rio bewegt. Uns“ begegnet auch Besucherinnen und Besuchern des Weinstraßentages in 14 Tagen in Mußbach. Es ist Gold wert, wenn sich auch hierzulande Menschen von Rio bewegen lassen. Zur Person Michael Janson, 58, katholischer Pfarrer der Pfarrei Heiligen Teresa von Avila in Neustadt und Dekan des Dekanats Bad Dürkheim.

x