Neustadt Was kommt denn da für einer ...

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Armin Jung ist einer, der sich nicht verbiegen lässt. Das demonstriert er schon durch sein Äußeres: lange Haare, Ohrring und das Hemd stets ein bisschen weiter aufgeköpft als andere Männer in entsprechender Position. „Was kommt denn da für einer“ – ein Satz, den der 60-Jährige in seinem Leben immer mal wieder zu hören bekommen hat.

Wenn sich jemand an seinem Erscheinungsbild stört, bringt das Armin Jung aber nicht um den Schlaf. „Stehe zu dem, was du bist“, sagt der Dekan des protestantischen Kirchenbezirks Neustadt und Pfarrer an der Stiftskirche. Sein Erscheinungsbild sei „keine Modefrage“, sondern eher „ein Bekenntnis zu der Zeit, in der ich aufgewachsen bin“. Und an die er schöne Erinnerungen hat. „Man soll zumindest an den Haaren erkennen: Am liebsten wäre er ein Hippie geworden“, scherzt der Dekan, der eine zweite Amtszeit anstrebt. Gewählt wird am 5. November – formal auf zehn Jahre, doch wäre angesichts seines Alters von 60 Jahren für Jung mit dem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand Schluss. Dass Jung nochmals als Dekan in Neustadt antritt, war lange Zeit eher fraglich. Denn eigentlich wollte er noch mal eine Veränderung wagen: 2015 bewarb er sich für das Amt des Oberkirchenrats in Speyer. Doch er scheiterte, erhielt nicht die notwendige Stimmenmehrheit. Jung war enttäuscht: „Wahlen in der Landessynode sind nicht mehr kalkulierbar“, sagt er rückblickend. Ob da „geschoben wird oder was“, wisse er nicht, jedenfalls habe ihm das Ganze schon etwas zu schaffen gemacht. Aber: „Das ist inzwischen abgehakt.“ Nach der gescheiterten Bewerbung habe er seine Arbeit „ganz normal weitergemacht“ und denke mittlerweile nur noch darüber nach, was er als Dekan noch bewegen will. „Das muss ich ja auch, wenn ich mich im November wieder zur Wahl stelle“, weiß Jung. Fünf weitere Jahre in Neustadt seien alles andere als eine Strafe: Er habe sich ja nicht nach Speyer beworben, weil ihm Neustadt nicht gefalle, sondern weil ihn die Aufgabe als Oberkirchenrat gereizt hätte. Seit dem Start in sein Vikariat, also die praktische Vorbereitung auf den Pfarrerberuf, im Jahr 1983 ist Armin Jung im Kirchendienst tätig. Das hätten sich er und die Pfarrerin seiner Heimatgemeinde im westpfälzischen Lambsborn einst nicht träumen lassen. Selbige fragte ihn nämlich in der Adventszeit 1973 – daran erinnert sich Jung noch lebhaft –, ob er nicht Lust habe, in einem Projektchor der Kirche mitzusingen. „Oh nee, nix für die Kirche“, so die spontane Antwort. Doch das Ganze entwickelte sich zu einer Art Schlüsselerlebnis für den heranwachsenden Jung. Denn die Pfarrerin hakte nach: Ob es denn an seinem Glauben liege, dass er nicht mitmachen wolle? Jung kam ins Grübeln: Nein, der Glaube sei nicht das Problem – eher die Institution Kirche. „Wenn man etwas ändern will, muss man in die Kirche reingehen“, sagte die Gemeindepfarrerin. Da hat sie recht, und eigentlich ist Pfarrer ja ein toller Beruf, dachte sich Jung, der in seinem Berufsleben auf keinen Fall am Schreibtisch versauern wollte. Wenig später nahm er sein Theologiestudium auf – und hat es nie bereut, wie er betont. Zunächst studierte Armin Jung in Bethel, zwei Jahre später wechselte er an die Uni in Marburg: „Dort bin ich auch geblieben – nicht weil es die beste Uni war, sondern die schönste Stadt“, sagt der Neustadter Dekan und unterstreicht damit, dass ihm auch das Drumherum schon immer wichtig war. Deshalb wollte der gebürtige Westpfälzer nach seinem Studium auch „nicht in die Vorderpfalz und nicht in eine Stadt“. Und was geschah: Jung kam für sein Vikariat nach Neustadt. Wenn etwas so gekommen sei, wie er es eigentlich nicht gewollt habe, habe es sich im Nachhinein immer als am besten herausgestellt, sagt Jung – deshalb glaube er inzwischen auch immer mehr an göttliche Fügung. Apropos Glaube: Viele junge Menschen mit dem Berufswunsch Pfarrer gingen mit einem starken Glauben ins Studium und seien dann enttäuscht, da das Ganze sehr wissenschaftlich ablaufe. Bei Jung war’s umgekehrt: „Mein Glaube wurde immer stärker – wenn man Glaube mit Vertrauen übersetzt.“ Das Studium sei das abwechslungsreichste, was er sich vorstellen könne, und der Pfarrerberuf letztlich sein Traumjob: „Es gibt nichts, was ich lieber machen würde.“ Auch wenn ihm bewusst ist, dass es sich um eine familienunfreundliche Tätigkeit handelt, da „die Abwesenheit von zu Hause enorm ist und Wochenenden eigentlich nicht stattfinden“. Jung weiß, wovon er spricht: Der 60-Jährige ist seit 35 Jahren verheiratet, hat eine 28-jährige Tochter und einen 26-jährigen Sohn. Nach dem Vikariat, das ihn auch für ein halbes Jahr nach Florenz führte, trat Armin Jung 1986 seine erste Stelle an: als Pfarrer in Haßloch. Dort blieb er, bis er vor zehn Jahren die Leitung des Neustadter Dekanats übernahm. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er diese Arbeit sozusagen neben seinen normalen Aufgaben mitgestemmt, weil seine Vorgängerin aus Krankheitsgründen kürzertreten musste. „Ich bin damals zwar so reingerutscht, aber ich denke, ich hätte mich auch bei ihrer Pensionierung beworben. Der Posten hat mich gereizt“, sagt Jung. Nun sollen also noch ein paar Jahre folgen – und danach die Rente. Dann hat Armin Jung mehr Zeit, sich seinen Hobbys zu widmen: Er ist „ein fanatischer Leser“ und spielt für sein Leben gerne Theater beziehungsweise führt bei Theaterstücken Regie. Aber schon heute scheint klar zu sein: Das wird dem agilen Kirchenmann wohl nicht reichen. „Ich kann’s mir noch nicht richtig vorstellen“, sagt er. Er freut sich auf „die Freiheit, auch mal Nein sagen zu können“. Dennoch wird er wahrscheinlich häufig Ja sagen, wenn es darum geht, Gottesdienste oder Urlaubsvertretungen zu übernehmen: „Ich mache es ja gern.“

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