Neustadt Zweifel am „zweyfachen Schwanzstern“

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Neustadt. Goya, Callot, Kollwitz – schon von Berufs wegen interessiert sich Gerhard Hofmann für das, was Grafiker-Kollegen früherer Zeiten geleistet haben. Seine besondere Leidenschaft aber gilt Neustadt-Motiven und allen Darstellungen, die irgendwie mit der Stadt und ihrer Geschichte zu tun haben. „Alles, was ich kriegen konnte“, habe er da gekauft, erzählt er verschmitzt und ist selbst ein wenig erstaunt darüber, was für antiquarische Schätze man heute zu recht erschwinglichen Preisen übers Internet finden kann. So wie etwa einen Portrait-Kupferstich des für Neustadt so bedeutsamen Pfalzgrafen Johann Casimir, der 1601 in dem Buch „Heldenrüstkammer“ erschien, einem Bildinventar zur Sammlung, die der österreichische Erzherzog Ferdinand II. in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf Schloss Ambras bei Innsbruck anlegen ließ. Erst vor vier Wochen hat Hofmann das stattliche Blatt erworben, das jetzt in der Ausstellung zusammen mit einer Harnisch-Bibel, die das Neustadter Bibelmuseum zur Verfügung stellte, das älteste Exponat bildet. Insgesamt rund 60 Blätter hat Hofmann für die Ausstellung an den Wänden in seinem nicht eben großen Atelier aufgehängt – wobei er aus Platzgründen gar nicht alles zeigen kann, was er eigentlich wollte. Die Auswahl umfasst auch einige Neustadt-Motive moderner Künstler wie Xaver Mayer, Christoph Seibel, Rosel Anton und Werner Korb. Auch einige Leihgaben anderer Sammler hat Hofmann dazu genommen – hauptsächlich, um historische Lücken zu schließen. So ergänzt etwa eine schöne, teilkolorierte Lithographie von 1832, die den vom Neustadter Polen-Verein organisierten „Empfang der ersten Abtheilung polnischer Helden“ zeigt, seine eigene stattliche Auswahl an Abbildungen zum Hambacher Fest. Immer weiß der Künstler dabei auch interessante historische Details mitzuliefern – bei dem Polen-Blatt ist dies etwa eine Anmerkung zum Treppengeländer des alten Neustadter Rathauses, das damals noch in seiner ursprünglichen Form angebracht war. So ergibt sich bei der Ausstellung auf engem Raum ein insgesamt sehr schöner Rundgang durch sechs Jahrhunderte Neustadter Geschichte. Der berühmten Ansicht von der Hambacher Höhe auf die Stadt begegnet man gleich mehrfach – zum ersten Mal bei zwei leicht variierten Blättern aus „Meisner’s Schatzkästlein“ von 1624 und 1637, später natürlich auch bei dessen Nachfolger Matthäus Merian, dem berühmtesten Stecher deutscher Stadtansichten, oder 1786 in einer Radierung des aus Meckenheim stammenden Ferdinand-Kobell-Schülers Johann Jakob Rieger. Den umgekehrten Blick, von Norden über die Stadt zum Hambacher Schloss, findet man seltener – ein besonders schönes Beispiel ist hier eine um 1860 entstandene großformatige Farblithographie von Jakob Ludwig Buhl. Ganz nebenbei lernt man dabei auch einiges über die praktische Seite der frühen Druckgrafik: So wurde eine Neustadt-Ansicht des niederländischen Stechers Gaspar Bouttats, die ganz eindeutig „Meisner’s Schatzkästlein“ kopiert, 1690 kurioserweise mit dem Zusatz „Wiener Neustadt“ in einem Buch über die Türkenkriege veröffentlicht. Es liegt, wie Hofmann recherchiert hat, ganz offensichtlich eine Verwechslung vor: Der Stecher war auf der Suche nach einer Ansicht der Stadt in Niederösterreich versehentlich auf das pfälzische Pendant gestoßen. Und ein ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammendes Flugblatt aus Hamburg berichtet von einer Kometensichtung am 10. November 1675 „in einem Chur-Pfälzischen Städtlein / nemblich zu Neustadt an der Hardt / des morgens umb 5 Uhr“. Da Hofmann aber sonst nirgends Hinweise auf einen „zweyfachen Schwanz-Stern“ über Neustadt finden konnte, bleibt der Zweifel, ob es sich hier nicht vielleicht um eine frühe „Zeitungsente“ handelte. Auch das 19. Jahrhundert ist durch eine große Anzahl repräsentativer Werke vertreten, darunter auch die berühmte Federlithographie vom Hambacher Festzug von 1832 und – besonders idyllisch – je eine Neustadt- und eine Haardt-Vedute aus der berühmten, 1819 erschienenen romantischen Rhein-Serie des von Goethe sehr geschätzten Jakob Wilhelm Roux. Auch das Hambacher Schloss, das im 19. Jahrhundert zur „Maxburg“ avanciert, ist natürlich ein häufig wiederkehrendes Motiv in der Druckgrafik – eine Abbildung zeigt es sogar in jenen nie realisierten Formen, die aus ihm fast eine Art Hohenschwangau gemacht hätten. Bescheiden wie er ist, verzichtet Gerhard Hofmann in der Ausstellung fast ganz auf die Präsentation eigener Werke – obwohl das Atelier an sich natürlich aus jeder Ritze seinen künstlerischen Odem atmet und er auch ein kleines Jubiläum zu feiern hätte: Vor genau 20 Jahren entstand die erste seiner charakteristischen Neustadt-Radierungen. Die wunderbar verspielten Architektur-Veduten tragen das Bild der Stadt heute auf Postern, Postkarten und Einkaufstüten in alle Welt – und sind damit würdige Nachfolger eines Daniel Meisner oder Matthäus Merian. Die Ausstellung Die Ausstellung „Neustadt an der Weinstraße in der Druckgrafik. Druckgrafik aus sechs Jahrhunderten“ wird am Dienstag, 27. September, um 19 Uhr im Atelier Gerhard Hofmann, Ägyptenpfad 14, in Neustadt eröffnet. Die Schau ist bis 9. Oktober montags bis samstags 10–14 Uhr, sonn- und feiertags 14–17 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet. Bereits am Tag vor der Vernissage, am Montag, 26. September, hält Hofmann um 19 Uhr im Stadtmuseum in der Villa Böhm einen Vortrag, bei dem er anhand ausgewählter Beispiele unter drucktechnischen, künstlerischen, stadt- und allgemeingeschichtlichen Aspekten in das Thema einführt. Der Eintritt ist frei. Anmeldung über das Stadtarchiv (06321/ 855540 oder birgit.noack@stadt-nw.de).

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