Pirmasens „Hört doch auf mit dem Streit“

91-72030060.jpg

„Hört doch auf mit dem Streit“ singen die „weisen Kinder“ zum Ende des ersten Aktes. Als Erwachsener fühlt man sich wieder ertappt und beschämt von den Kindern, die am Sonntag unter der Leitung von Maurice Antoine Croissant und Volker Christ im Rahmen des Festivals Euroclassic das Kinder-Musical „Der Blaue Planet“ mit einer begeisternden Darbietung in der Pirmasenser Festhalle aufgeführt haben.

Die Ehre ist ganz und gar auf beiden Seiten: Bezirkskantor Maurice Croissant und Volker Christ dürfen es als fundamentale Anerkennung ihrer musikalischen Arbeit mit Kindern auffassen, dass „Der blaue Planet“ nun schon die dritte Produktion war, die im Rahmen des Festivals Euroclassic aufgeführt wurde. Andersherum gereicht es aber auch dem Festival Euroclassic zur Ehre, auf die künstlerisch, inhaltlich und pädagogisch substanzielle Arbeit heimischer Kräfte zurückgreifen zu können. Die Facette „Musik von Kindern“ fehlte sonst gänzlich im Portfolio des Festivals Euroclassic, und das wäre – im Nachhinein betrachtet – geradezu ein Mangel dieser ambitionierten Veranstaltungsreihe. Ein Glücksfall ist es auch, dass sich Croissant und Christ nicht nur als Musiker befreundet haben. Das Zusammenwirken der beiden – Croissant hatte dieses Mal die Gesamtleitung, Christ probte mit seinen Chören und leitete das Orchester – ist so beispielhaft wie ermutigend. Über 80 Kinder – die Mitwirkenden im Orchester, bei Technik und Requisite und der Produktion der Videos für die Kulissen noch gar nicht mitgerechnet – waren die bewundernswerten Protagonisten von „Der blaue Planet – Ein Musical in zwei Akten“, das der Komponist Peter Schindler und die Texterin Babette Dieterich als Auftragsarbeit zur Landesgartenschau in Landau geschaffen haben. Zusammengewirkt haben in Pirmasens und einen Tag vorher in Bad Bergzabern die Kinderkantoreien Pirmasens und Bad Bergzabern, die Klassen 6a und 6c des Immanuel-Kant-Gymnasiums Pirmasens und ein Musical-Orchester mit Musikern aus der Region. Der Stoff des Musicals ist nur oberflächlich betrachtet naiv oder gar einfach. Die vier Elemente der klassischen Griechen – Erde, Feuer, Wasser und Luft – streiten sich, bis die Welt in einer globalen Apokalypse untergeht. Die „weisen Kinder“, man mag sie sich als Engel, zumindest aber als übernatürliche Wesen vorstellen – heilen die Welt, die wiederauferstehen darf. Aber ganz nach Karl Marx und seiner Bemerkung im 18. Brumaire des Louis Bonaparte – „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ – wiederholt sich auch im zweiten Akt von „Der blaue Planet“ das Drama von Streit und totaler Verwüstung. Dieses Mal aber zwischen den Präsidenten des Ostens, Südens, Westens und Nordens und in der heutigen Zeit. Wieder sind es die „weisen Kinder“, die eine Wiederauferstehung nach dem Weltuntergang ermöglichen. In der Harmonie des Schöpfers freilich, aber auch säkularen Geistern immer zugänglich. Es nötigt einem als Besucher schon gehörig Bewunderung ab, wie souverän die Kinder – das jüngste war gerade mal fünf Jahr alt, die ältesten 13, vielleicht 14 – diesen Stoff bewältigen. Die Naivität ist kindlich, die Botschaft aber alles andere als Kinderkram. Peter Schindler mag eingängig komponieren – einfach ist seine Musik aber deshalb noch lange nicht. Melodien und Rhythmus singt man auch als Erwachsener nicht „eben mal so“; die manchmal geradezu querständigen Rezitative, in denen viel Text auf wenig Schläge untergebracht werden muss, sind nichts für Feiglinge. Zumal Schindler darüber hinaus einen fröhlichen aber schlüssigen Eklektizismus pflegt: Ahnungen von Modest Mussorgski und John Miles, Pop und Weltmusik kommen in seiner Musik zusammen. Daher ganz ohne gönnerhaften Kinderbonus: Hier waren großartige Musikanten zu erleben, die einen schweren Stoff so gut gestaltet haben, wie das nur geht. Man darf auch als Zuhörer stolz sein. Die Mitwirkenden —Chor der Erde, Kinderkantorei Pirmasens: Judith Werle, Lena Becker, Helena Bilic, Elisa Diehl, Hanna Diehl, Julian Ermshaus, Vanessa Konietzko, Sarah Roscher, Sophie Roscher, Selina Simon, Felix Tischer, Johannes Vehling, Edzard Yanna; Solo: Tobias Werle —Chor des Wassers, Kinderkantorei Bad Bergzabern: Paula Wissmeier, Moritz Wissmeier, Kim Störrmann, Noel Thome, Vincent Fassen, Ayleen Soylu; Solo: Marlene Wollny —Chor der Luft – Klasse 6c, Immanuel Kant-Gymnasium: Helen Ackermann, Janis Augustin, Jacqueline Benoit, Lana Dauth, Oscar Diehl, Meike Dreher, Janina Faust, Lena Grünfelder, Julia Hein, Clara Hohmann, Chantal Knoll, Zofia Labocha, Louis Müller, Lukas Neuberger, Jan Philipp Ohr, Luisa Ring, Erika Schreiner, Marec Simon, Cedric Walter, Hanna Weber, Witalij Weit, Elisabeth Wittwer; Solo: Chantal Knoll —Chor des Feuers – Klasse 6a, Kant-Gymnasium: Tim Andreas, Ann-Sophie Becker, Theresa Blügel, Jonas Deßloch, Jonathan Dünkel, Frederik Huber, Marcel Krekeler, Paula Lischer, Angelina List, Olivia Maginot, Aileen Maier, Luca Maiß, Emma Motsch, Hannah Neumann, Anna-Marie Richner, Madison Schmenger, Nico Wagner, Kai Weilbach, Lisa Weilbach, Jonas Weimann, Luis Wittmer; Solo: Lisa Weilbach —Chor der Präsidenten, Kinderkantorei Pirmasens: Osten: Janica Lehmann, Theresa Blügel, Anne Werle; Süden: Paul Frey, Lisa Held, Johanna Müller, Fabian Stahlschmitt; Westen: Marlene Rapp, Janina Heyer, Joeyline Köhler; Norden: Katharina Werle, Marei Becker, Katharina Neuhs, Anastasia Priymakov —Chor der weisen Kinder, Kinderkantorei Bad Bergzabern: Esther Krumholz, Lara Lang, Rahel Imasuen, Rebecca Hofmann, Luise Biegel, Selma Iszo, Konrad Iszo, Hui Ru Chen —Musical- Orchester: Flöte: Johanna Schneiderhöhn; Oboe: Dagmar Motsch; Klarinette: Laura Kupper; Trompete: Valentin Ackermann; Altsaxophon: Sabrina Theobald; Tenorsaxophon: Tim Stilgenbauer; Posaune: Wolfgang Jung; Violine 1: Clara Niehl, Katharina Lorenz; Violine 2: Jörg Wilhelm, Silke Kasper; Viola: Ragna Heyne; Violoncello: Katja Lojer ; Bass: Achim Bißbort; Klavier: Julius Wingerter; Schlagzeug: Noah Rauth; Foto- und Videoproduktion: Stephanie Hauck, Felipe Araujo, Thiago Autran.

x