Pirmasens Leidenschaft und Lebenslust
„Tangologia“ lässt hören, wie sich der Tango Argentino formt, und steuert unentwegt auf die Musik von Astor Piazzolla zu. Dabei webt das Ensemble einen wahren Klangteppich, auf dem Verliebte am Valentinstag schwelgen können. Von denen gibt es offenbar sehr viele, denn der Kuppelsaal der Alten Post in Pirmasens ist ausverkauft. Sogar eine Warteliste mit 80 Interessierten wird vom Kulturamt für den Abend angelegt. Denen es gelungen ist, eine Karte zu ergattern, erwartet ein Genuss für alle Sinne: Musik, Tanz und Kulinarisches.
„Tangologia & Egotango“ klingt theoretisch, ja verkopft. Doch das, was die Künstler zeigen, steht ihrer Namensgebung entgegen. „Tangologia“ schenkt seinem Publikum ein leidenschaftliches und sinnliches Konzert, das von Gaia Pisauro und Leandro Furlan tänzerisch begleitet und durch sie erst zum großen Ganzen wird. Denn wenn man Formation und Tänzer auf der Bühne sieht, spürt man, wie eng Musik und Tanz beim Tango doch verwoben sind. Wenn Pisauro und Furlan tanzen, interpretieren sie die Musik, geben sich ihr hin, drücken ein Lebensgefühl aus. Es ist sofort zu sehen, dass es hier nicht einfach nur um gelernte Schritte geht, sondern um das, was zwischen dem Paar auf emotionaler Ebene passiert. Er führt die Bewegungen, gibt Richtung und Figuren vor. Sie folgt seiner Dynamik und komplettiert den Tanz mit ihrer Weiblichkeit. Die Musiker hingegen verbindet ihre Liebe zum Tango-Revolutionär Astor Piazzolla. Seine Kompositionen führte das Ensemble mit Musikern aus München, Stuttgart, Berlin und Weimar 2004 zusammen. Seitdem stehen sie gemeinsam auf der Bühne und leben ihre Leidenschaft für Tangomusik in vollen Zügen aus. In ihrem Konzert in Pirmasens gehen sie mit ihrem Publikum auf eine ausgedehnte Zeitreise, die durch die Welt des Tangos führt. Aber nicht nur: Sie packen die Musik, fügen moderne Elemente ein und machen sich die Kompositionen mit ihren Arrangements zu Eigen. Dies gilt insbesondere für die Musik von Piazzolla, zu dessen Balladen „Tanti anni prima“ und den „Vier Jahreszeiten“ dann auch nicht mehr getanzt wird. Zu schnell, eigensinnig und konzertant wird hier die Musik, als dass die Tänzer angemessen folgen könnten. „Tangologia“, das sind Fabian Pablo Müller am Saxofon und Gitarrist Karl Borromaeus Epp, die die Formation gegründet haben, sowie die russische Pianistin Olga Salogina, der stellvertretende Konzertmeister des HR-Sinfonieorchesters Maximilian Junghanns an der Geige und Alex Bayer am Kontrabass, der den erkrankten Matthias Eichhorn vertritt. Die Musiker eröffnen den Abend mit wohl einer der ersten Tango-Schöpfungen überhaupt: mit Angel Villoldos „El Choclo“ (1903). Der Komponist thematisiere mit seiner Musik die Hoffnung auf ein besseres Leben, erzählt Gitarrist Epp, der das Konzert immer wieder mit Wissenswertem und Kuriosem moderiert. „La Cumparsita“ (1916) von Garardo Matos Rodriguez hingegen sei eine der berühmtesten Tango-Kompositionen überhaupt, die Rodriguez für sage und schreibe 50 Pesos verscherbelte, um die Tantiemen gleich darauf beim Pferderennen zu verlieren. Weitere musikalische Etappen sind Tangos von Pedro Maffia, Julio De Caro, Horacio Salgang und Julian Plaza, die mal sanft, mal leidenschaftlich daherkommen, aber das Publikum immer durch ihre Poesie verzaubern. Die besondere Klangfarbe des Ensembles kommt übrigens daher, dass die Musiker zwar als klassisches Tango-Quintett nach Piazzolla mit Geige, Klavier, Kontrabass und E-Gitarre auftreten, doch das Bandoneon durch ein Saxofon ersetzen. Das war die Idee von Fabian Pablo Müller gewesen, der seine Kindheit in Buenos Aires verbrachte und die Musik kurzerhand für sein Instrument umschrieb. Das Pirmasenser Publikum will gar nicht mehr auftauchen aus der Welt der Leidenschaft, die sich im Kuppelsaal eröffnet, doch „Tangologia“ schließt mit einer Zugabe von Piazzollas „Libertango“.