Streitfall Neues Mosaik an der Münztreppe: Ist das Kunst oder kann es weg?
Pro: Von Maximilian Schenk
Passend zum Titel des Mosaiks – „Zeitsprung“ – blicken wir etwas mehr als zehn Jahre zurück: Der Hauptbahnhof machte seinem Ruf als größte Freilufttoilette Südwestdeutschlands alle Ehre, die Bahnhofstraße war von Schlaglöchern gespickt. Wände und Mauern waren mit Graffiti beschmiert, die mit echter Kunst so viel zu tun hatten wie der FKP mit dem Erreichen des DFB-Pokalfinales. Lange Rede, kurzer Sinn: Wer als Besucher mit der Bahn nach Pirmasens kam, fand auf dem Weg in Richtung Fußgängerzone wenig bis nichts vor, was zum Bleiben einlud.
„Zeitsprung“ ins Hier und Jetzt. Der Bahnhof ist sauber, die Grünflächen blühen, Alte Post und Jugendherberge sind Hingucker, die Bahnhofstraße ist saniert. Wer nach Pirmasens kommt, wird nicht mehr vom Schock übermannt und möchte direkt kehrtmachen. Die Stadt mausert sich Stück für Stück – ganz wie ein Mosaik.
Mit dem Kunstwerk von Tanja Lebski trägt nun ein weiteres Puzzleteil dazu bei, die Schuhstadt aufzuwerten. Die karge und graue Mauer am Münzplatz ist einem farbenfrohen Blickfänger gewichen.
Die Viertelmillion bunter Mosaikfliesen bilden zudem kein austauschbares Gesamtbild, das ebenso gut in Köln, München oder Berlin hängen könnte. Mit Motiven wie Landgraf Ludwig IX., dem Dadaisten Hugo Ball und einem durch die Luft fliegenden „Schlabbe“ hat Tanja Lebski ein Stück Pirmasenser Stadtgeschichte in die Bahnhofstraße gebracht.
Es liegt in der Natur der Sache, dass es schwierig ist, die Pirmasenser vollends zufrieden zu stellen – „gemeckert iss glei“. Man kann das neue Mosaik nun schön finden oder nicht, das ist rein subjektiv. Aber allein der Grundgedanke, unsere Heimatstadt nach und nach für Besucher wie für Einheimische attraktiver zu machen, ist aller Ehren wert.
Ob die Mühen von Tanja Lebski ausreichen, in Zukunft Tausende Touristen her zu locken, darf angezweifelt werden. Nichtsdestotrotz darf sich jeder und jede darüber freuen, dass die Stadt um ein Postkarten-Motiv reicher ist. Selbstredend spielt bei Kunst auch die Ästethik stets eine Rolle, doch sollte man sich nicht in Geschmacksfragen verlieren, wenn es darum geht, dass eine oft als arm und hässlich verschriene Stadt neuen Glanz erhält.
Es tut sich was! Sehen wir es als „Zeitsprung“ in eine bessere Zukunft in einer schöneren Stadt.
Contra: Von Andreas Ganter
Ein schaukelndes Mädchen, das einen Schuh verliert als Anspielung auf die Schuhstadt verbunden mit ein paar Münzen, weil das Mosaik am Münzplatz ist – das klingt nicht nur wie ein schlechter Kalauer, sondern sieht in der Realität genauso langweilig und wenig überraschend aus, wie es sich anhört.
Nach dem ersten Mosaik an der Felsentreppe waren die Erwartungen groß. Schließlich hat sich das dortige Kunstwerk schnell zum beliebten Fotomotiv und Aushängeschild der Stadt entwickelt. Nun also ein zweites Mosaik. Noch näher an der Innenstadt. Die Motive zeugen leider wenig von Kreativität. Ein üblicher Verdächtiger, mit dem sich die Pirmasenser gerne schmücken, darf nicht fehlen: der olle Landgraf. Immerhin hat es Hugo Ball auf eine Münze geschafft und auch Pfarrer Nardini. Letzteren dürften allerdings nur die wenigesten kennen, geschweige denn anhand der Darstellung auf dem Mosaik gar erkennen. Sein Konterfei ähnelt dort nämlich in keiner Weise den sonst üblichen Darstellungen des Geistlichen aus dem 19. Jahrhundert, der von der katholischen Kirche selig gesprochen wurde.
Wären nicht die wenigen roten Farbakzente bei dem schaukelnden Mädchen und beim Landgrafen zu sehen, käme man nicht umhin, von einem ganz und gar tristen und nahezu farblosen Werk zu sprechen. Die passende Ergänzung also für eine überdimensionale Stützmauer am Rande eines Parkplatzes.
Wer lesen will, was auf den einzelnen Münzen steht, braucht sehr gute Augen. Bisweilen ist der Kontrast der Steine nämlich so gering, dass sich nur erahnen lässt, was da steht. Mit Müh’ und Not lässt sich entziffern, dass neben einer Münze, die Wahrzeichen der Stadt zeigt, folgender Spruch steht: „Freigeist, Friede, Freiheit, Freude.“ Was das bitteschön mit der Schuhstadt Pirmasens zu tun haben soll, erschließt sich dem Betrachter zumindest nicht auf den ersten und wahrscheinlich auch nicht auf den zweiten Blick.
Das Mosaik hat die Künstlerin Tanja Lebski (Altleiningen) gestaltet. Eine Fachjury hatte sich zuvor für den Entwurf entschieden. Vorausgegangen war ein öffentlicher Wettbewerb, an dem sechs Künstler aus dem ganzen Bundesgebiet mit jeweils drei Referenzprojekten teilnahmen. Wenn das Werk „Zeitsprung“ der beste Entwurf war, möchte man nicht wissen, mit welchen Vorschlägen sich die anderen Künstler beworben haben.
Über Kunst lässt sich streiten. Sollten Lebski und Kulturdezernent Clauer die Absicht gehabt haben, mit dem Mosaik die Debatte um Kunst im öffentlichen Raum befeuern zu wollen, dürfte ihnen das gelungen sein. Aber die Pirmasenserinnen und Pirmasenser hätten mehr verdient.