Pirmasens So macht Musical Spaß

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Hoppla, was war das? Das Musical „Daddy Cool“ mit der Musik von Frank Farian am Mittwoch im ausverkauften Bürgerhaus Alte Schuhfabrik in Waldfischbach war richtig gut anzuhören und anzuschauen und hatte tatsächlich diesen beträchtlichen Publikumszuspruch verdient. Die Aufführung war gleichzeitig Tourneeauftakt für die Produktion des Rieschweilerer Impresarios Frank Serr, der sich selbst beglückwünschen darf, diese fabelhafte Compagnie zusammenbekommen zu haben.

Serr, sein Kreativ-Team, seine Sänger, Tänzer und Darsteller haben mit Vielem versöhnt, was sensiblere Musikliebhaber so oft an Musicals verstört. Zum Beispiel gibt es oft einen Plot, der kaum mehr als von Spucke und Bindfaden zusammengehalten wird. Die Story um Sunny (Anthony Curtis Kirby) und Rose (Nadine Kühn), Daddy Cool (Phillipe A. Blair), Ma Baker (Nina Barton) und Pearl (Jennifer Kohl) war bei „Daddy Cool“ – an den Maßstäben von Musicals gemessen – sogar von unüblicher narrativer Logik getragen. Da wird eine Geschichte erzählt und nicht nur eine Nummern-Revue notdürftig zusammengepappt. Klar, Sunny und Rose sind irgendwo Romeo und Julia, Tony und Maria, die beiden konkurrierenden Tanz-Crews „Thunder“ und „Sunshine“ sind nahe Verwandte der „Sharks“ und der „Jets“ aus der „West Side Story“. Statt New York ist es London und der Rasputin-Club ist eine jugendfreie Version des Puffs aus Bertolt Brechts „Mahagonny“. Folgerichtig ist Ma Baker ein Flintenweib irgendwo zwischen Jenny und der Mutter Courage. Und Daddy Cool? Den darf man sich als einen Baron Samedi zum Kuscheln und ohne Voodoo-Grusel vorstellen. Hinzu kommt die Liebe zum Detail und zu den Figuren. Die Darsteller sind allesamt nicht nur ausgezeichnete Sänger und Tänzer – was man bei einem Musical erwarten darf – sie bringen auch unüblich viel schauspielerisches Talent mit, das es ihnen gestattet, ihre Charaktere glaubhaft zu gestalten. Großartig der Wuselfaktor bei den Straßen- und Flughafen-Szenen. Ein englischer Bobby, Charlie Chaplin, knipsende Touristinnen, die dicke Alte mit der Gehhilfe – da gibt es richtig was zu gucken. Nicht zu reden von der Deko und den Requisiten, die stets von einer effektvollen Rückprojektion gestützt sind: Kirche mit Kirchenbänken und bunten Kirchenfenstern, der Rasputin-Club schön schummerig und weil es London ist, sieht man auch den Regen hinter den Fenstern fallen. Das mögen Nebensächlichkeiten sein, machen aber in der Summe aus „Daddy Cool“, so wie es Frank Serr produziert hat, eine Qualitätsshow. Natürlich wirkt auch der Nostalgie-Faktor. Wer „Boney M“, „Milli Vanilli“, „Eruption“ oder „La Bouche“ nicht nur als Dauerbeschallung im Formatradio ertragen, sondern einen Platz in seinem Herzen reserviert hat, dürfte bei „Daddy Cool“ ganz bestimmt auf seine Kosten gekommen sein. Richtig gut sogar, wie der Originalsound dieser Lieder behutsam aber merklich modernisiert worden ist. Der Disco-Sound der Originale hat ja naturgemäß viel Patina angesetzt, die Neueinspielungen für „Daddy Cool“ kommen nun mit beträchtlich mehr Pop-Appeal, manchmal sogar mit einer kraftvollen Rock-Kante. Gesungen wird live, die Begleitmusik wird eingespielt. Aber die ist wirklich sauber und hochwertig produziert und im Zweifel sogar jenen Live-Bands vorzuziehen, die bei so vielen Tournee-Truppen eh nur Trio-Format mit Tasten, Bass und Gitarre haben und auch da noch Zuspieler und Samples zum Einsatz kommen.

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