Rhein-Pfalz Kreis Doppelte Geburtstage und eine Unwetterlage
Mit Raclette und Pute, echtem Tannenbaum und Bescherung, Verwandten und Freunden feiern Nergül Akyayla und ihre beiden Töchter Weihnachten. Das Besondere an diesem herkömmlichen Ablauf ist in diesem Fall, dass die türkischstämmige Familie muslimischen Glaubens ist. Und im Islam gilt Jesus „nur“ als Prophet und nicht als Gottes Sohn, dessen Geburt groß gefeiert wird. Nergül Akyayla, die als Sozialarbeiterin in der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim die Flüchtlingsarbeit leitet und koordiniert, erzählt, dass ihre heute zehn und 16 Jahre alten Kinder auf dem Weihnachtsfest bestehen, weil sie das vom Kindergarten und der Schule her so kennen. „Die Kleine geht auch unheimlich gern in Kirchen“, sagt die in Essen aufgewachsene Mutter, die in der Türkei Kindererziehung und Kinderpsychologie studiert hat. Sie selbst hat sich als Kind über den Nikolaustag an die christlichen Feste angenähert. „Über einen Arbeitskollegen hatte mein Vater von dem Brauch mit den Stiefeln vor der Tür erfahren, und er fand das so schön, dass er das übernehmen wollte“, erinnert sich die 38-Jährige. Was die Geschenke betrifft, verrät sie: „Bei uns wird ein Wunschzettel abgeschickt, und dem Weihnachtsmann stellen wir am 23. Dezember Milch und Kekse hin, damit er sich bei seinem Besuch bei uns eine Pause gönnen kann.“ Adventskranz aus Dubbegläsern Weihnachten ist für Christina Schött das Fest, an dem sie ihren jungeren Bruder wieder sieht. „Er arbeitet derzeit auf Montage in Finnland und kommt an Weihnachten wieder nach Deutschland“, freut sich die Weinprinzessin aus Kleinniedesheim. Gemeinsam mit der Mutter, den Großeltern, einer guten Freundin der Familie und deren Mutter wird in diesem Jahr gefeiert. Auf den Tisch kommen dann Sauerbraten und Knödel. „Meine Mutter wurde an der Hand operiert und deswegen gibt es in diesem Jahr etwas ganz Einfaches zu essen“, erzählt sie. Den Weihnachtsbaum hat Christina Schött schon seit dem ersten Advent aufgestellt. „Leider hat der im Vorfeld schon viele Nadeln verloren“, berichtet sie, weshalb es noch mal eine neue Tanne geben soll. Nicht kaputt gehen kann dagegen ihr Adventskranz, der besteht nämlich aus Dubbegläsern und LED-Lichtern. Ganz untraditionell also. Ein Ritual gibt es dann aber doch im Hause Schött. Bei der Bescherung darf immer der Jüngste oder der Älteste zuerst auspacken. „Ich weiß aber gar nicht mehr, wer eigentlich im letzten Jahr anfangen durfte“, sagt sie lachend. Nach dem Auspacken besucht die Familie die Christmesse im Wormser Dom. Auf eine Tradition am ersten Weihnachtsfeiertag freut sich Christina Schött auch schon besonders. Dann wird bei der Oma in Kleinniedesheim Rinderzunge gegessen. Hoffen auf Abend ohne Einsatz Im Hause Randazzo ist man froh, wenn der Papa an Weihnachten überhaupt zu Hause ist. Denn als Wehrführer der Feuerwehr der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim kann es schon einmal vorkommen, dass Carlo Randazzo auch an Heiligabend ausrücken muss. In den vergangenen Jahren habe es da mal einen Lkw-Unfall an einem Weihnachtsmorgen gegeben oder eine Unwetterlage, zu der die Feuerwehr gerufen wurde. „Aber“, so betont Randazzo, „bisher habe ich es immer bis zur Bescherung geschafft“. Auf die freut sich vor allem sein Sohn, der kurz vor Weihnachten noch seinen elften Geburtstag gefeiert hat. Gemeinsam mit den Großeltern wird er die Abendmesse besuchen, während Carlo Randazzo und seine Frau zu Hause alles für die Bescherung und das Abendessen vorbereiten. Ein kompliziertes Menü gibt es im Hause Randazzo nicht. „Wir halten es da einfach“, sagt er. An den beiden Weihnachtsfeiertagen werden dann Nichten, Neffen und Patenkinder beschert. „Ich freue mich darauf, dass man da einfach mal Zeit mit der Familie hat, abseits vom Alltagsstress.“ Wenn, ja wenn dann nicht doch wieder der Feuerwehrmelder los geht. Präsente für Hilfsorganisationen Das ganze Jahr über wechselt Christian Baldauf hin und her zwischen seinem Wahlkreis Frankenthal und dem Landtag in Mainz, wo er die CDU-Fraktion anführt. Selbst an Heiligabend geht er jedes Jahr vormittags auf Tour, wie er verrät. Dann nämlich besucht er Feuerwehr, Polizei, Krankenhaus, Justizvollzugsanstalt und die Malteser, um ihnen mit für Weihnachten typischen Kleinigkeiten für ihre Arbeit zu danken. Ansonsten könne er über keine Rituale an Weihnachten berichten, sagt er. Aber aus seiner Kindheit fällt ihm noch etwas ein, das sich Jahr für Jahr so und nicht anders abspielte, bevor es ans Verspeisen von Königinpasteten ging. „Zwei Zimmer wurden zugeschlossen. Im Wohnzimmer schmückte mein Vater den Baum, und in meinem Zimmer baute ich meine Modelleisenbahn auf.“ Wenn es dann so weit war, durfte zuerst der kleine Christian sein Werk präsentieren. Sein Hobby sei leider etwas in den Hintergrund getreten, sagt Baldauf, der von seinem Opa, „einem großen Märklin-Sammler“, wie er sagt, Hunderte von Loks und einen Konrad-Adenauer-Zug geerbt hat. Jeder schenkt jedem etwas Zu Weihnachten geht es im Haus von Sabine Reich und ihrem Ehemann in Mainz alles andere als ruhig zu. „Am ersten Feiertag kommt die ganze Familie. Und wir sind eine große Familie …“, sagt die Rektorin der Realschule plus Bobenheim-Roxheim. Fünf Kinder, teilweise mit Anhang, plus weitere Verwandtschaft: „Am Ende sind es, wenn alle tatsächlich von Koblenz bis München her kommen, so etwa 20 Personen, die ein Drei-Gänge-Menü zum Mittagessen gekocht bekommen“, erzählt Sabine Reich. Ist das nicht einfach nur Stress? Nein, meint die Schulleiterin, die im August 2017 von Ingelheim nach Bobenheim-Roxheim wechselte. Es gebe ja helfende Hände in der Küche, „und es ist immer sehr witzig“. Bescherung, spazieren gehen, spielen, in Kleingruppen miteinander erzählen – „das zieht sich alles den ganzen Tag hin bis spät in die Nacht, zum Teil wird auch bei uns übernachtet“. Dass man mit zunehmendem Alter aufs Geschenkeaustauschen verzichtet, kommt im Hause Reich nicht infrage. „Die Kinder bestehen darauf, dass sich jeder für jeden eine Kleinigkeit mitbringt“, sagt Reich. Wie sehr die Familie an ihren Weihnachtsritualen hängt, verdeutlicht sie am Beispiel des Fotokalenders, den seit 20 Jahren jedes Kind mit Bildern aus dem zurückliegenden Jahr bestücke. Die Idee ihres Mannes, das wegen der Arbeit, die er damit hatte, mal sein zu lassen, sei gar nicht gut angekommen. Doppelten Geburtstag feiern An Weihnachten feiern Harald Krauß und seine Familie gleich doppelten Geburtstag. Nicht nur den von Jesus Christus sondern auch den des ältesten Sohnes Mathias. Der erblickte heute vor 34 Jahren das Licht der Welt und bescherte seinen Eltern damit ein unvergessliches Fest. Seit diesem Jahr kommt Familie Krauß an Heiligabend aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. „Als Mathias noch ein Kind war, haben wir morgens immer schön gefrühstückt“, erzählt der Lambsheimer. Die Großeltern seien dafür jedes Jahr extra früh aus dem Saarland angereist. Bis circa 14 Uhr wurde Geburtstag gefeiert, danach ging es fließend in Weihnachten über. „Wir haben immer dafür gesorgt, dass der Geburtstag trotzdem etwas besonderes für ihn ist“, meint Harald Krauß. Als Jugendlicher sei der Sohn dann dazu übergegangen mit einer großen Party in der Kelterhalle des elterlichen Weinguts in den Geburtstag reinzufeiern. Heutzutage werde mit einem Glühweinumtrunk am Vorweihnachtsabend gleichzeitig Jahresabschluss und Geburtstag gefeiert. Nach all der jahrelangen Feierei geht es an Heiligabend mittlerweile vergleichsweise ruhig zu im Hause Krauß. Gemeinsam mit seiner Frau, der Schwester und dessen Mann sowie der 82-jährigen Mutter feiere er dieses Jahr im eher kleinen Kreis, berichtet Harald Krauß. Mit den beiden Söhnen und deren Familien geht es am zweiten Weihnachtsfeiertag zum gemeinsamen Essen. An Heiligabend möchte Harald Krauß nicht in die Kirche gehen, dafür aber am ersten Feiertag. Gerne erinnert er sich dann zurück, wie er vor 34 Jahren als frischgebackener Papa die Glückwünsche der Nachbarn und Freunde entgegennehmen durfte. „Da schwelge ich einfach in schönen Erinnerungen“, sagt er.