Schifferstadt Ein Karpfen und eine Rikscha als Symbole einer langen Freundschaft
Beim Seniorentreff in der Schifferstadter Adlerstube hätten die Senioren schon länger hin und her überlegt, ob sie dieses Jahr wohl dabei sein würden, erzählt Bürgermeisterin Ilona Volk (Grüne). Wenn dann erstmals die Einladung zum Tag der Alten kommt, wissen die Senioren: Sie sind beim Karpfenessen am Mittwoch dabei und gehören zu den ältesten Bürgern der Stadt.
Der Ursprung des Karpfenessens liegt rund 290 Jahre zurück. Ein Hochwasser habe Otterstadt und dessen Felder überschwemmt und beinahe eine Hungersnot ausgelöst, erzählt Otterstadts Bürgermeister Bernd Zimmermann (CDU). In dieser Not hätten die Bürger von Schifferstadt ihre Weiden für das Vieh der Otterstadter zur Verfügung gestellt. Für diesen Freundschaftsbeweis bekommen sie jährlich beim Karpfenfest in Otterstadt den größten gefangenen Fisch überreicht. Heute sei das glücklicherweise kein zappelnder Fisch mehr, fügt Zimmermann amüsiert hinzu. Ein symbolischer Fisch, gebacken aus Brotteig, ersetzt den echten.
Am „Tag der Alten“ wird der Fisch traditionell serviert. Den Tag feiere die Stadt seit 1934, erzählt Werner Krämer, Vorsitzender des Vereins für Heimatpflege. Die Erzählungen der älteren Bürger sollten über das frühere Leben aufklären und Geschichten, wie das vom Hochwasser, im Gedächtnis der Gesellschaft erhalten. Für die Schifferstadter und die Otterstadter sei das eine „Feier der Freundschaft und der Lebensleistung der Alten“, erklärt Bernd Zimmermann.
Tradition mal umgekehrt
Zu dieser 90. Ausgabe des Festessens im Salischen Hof ist Erich Fuchs erstmals eingeladen. Mit 92 Jahren ist er einer der jüngeren Alten. Als Älteste darf sich die 100-jährige Elisabeth Hettrich auf den traditionellen Fisch freuen. Fuchs ist mit Sicherheit auch einer der Aktiveren. Er gehe mit dem Pfälzerwald-Verein wandern und sei nebenher noch immer in seinem Beruf tätig, erzählt er. Dagegen ist das Karpfenessen eine Ruhepause für den gelernten Techniker und Kaufmann. „Ich habe sogar Hunger!“ Karpfen habe er seit Jahrzehnten nicht gegessen, darauf freue er sich sehr. Und selbstverständlich freue er sich schon auf das nächste Jahr.
Dass das Karpfenessen jedes Jahr gefeiert wird, ist Ilona Volk sehr wichtig. „Traditionen, die viele Jahre zurückliegen und so unheimlich wichtig sind, müssen wir pflegen.“ Und wer weiß, vielleicht werde sie selbst in einigen Jahren als altes Mädchen beim Karpfenessen sitzen, fügt sie hinzu und lacht. Eine ebenso alte Tradition hat sie ausnahmsweise einmal verdreht. Der Bürgermeister von Otterstadt fahre sie üblicherweise mit einer Rikscha zum Karpfenessen. Dabei täte er ihr schon etwas leid, erzählt sie schmunzelnd. Im Anzug bei meist hohen Temperaturen komme er durchaus ins Schwitzen. Also habe sie sich bei der evangelischen Kirchengemeinde eine Rikscha geliehen und ihn zum Karpfenessen gefahren. „Eine gelungene Überraschung“, sagt Bernd Zimmermann erfreut.