Rhein-Pfalz Kreis Feststimmung an der Henkergasse

Hitze innen und außen: Eine heiße Sache ist die Feuershow des Duos Jomamakü.
Hitze innen und außen: Eine heiße Sache ist die Feuershow des Duos Jomamakü.

«Schifferstadt.» Höllisch heiß ist es tagsüber auf dem Schifferstadter Mittelaltermarkt rund um das Alte Rathaus und die Kirche St. Jakobus. Nur die Tapferen sind zwischen den Ständen. Dabei gibt in den Gassen – heuer benannt nach Krämer und Henker, statt nach Kirche und Kapelle – einiges zu entdecken: Mittelalterliches Gewand bietet ein „Krämer aus dem Morgenland“ feil, handgemachte, sauber und fein nach Blüten, Kräutern und sogar nach Himbeeren duftenden Seifen der „Good old Soap Shop“ aus Landstuhl, magische Kräutersträußchen zum Ausräuchern aller bösen Einflüsse hat eine weise Frau im Gepäck. Ist sie nur wissend auf ihrem Gebiet oder gar wirklich eine Hexe? Der Name „Raffhörnchen“ lässt viele Interpretationen zu. Die Tapfersten an diesem Nachmittag sind die Kinder. Hinter der Pfarrkirche St. Jakobus versuchen sie sich an Pfeil, Bogen und auch Armbrust, lassen sich schminken und schaukeln in den sechs Gondeln des hölzernen, handbetriebenen Riesenrads in die Höhe. Die Kinder sind mit Eifer dabei. Manche fechten Ritterkämpfe mit Holzschwertern aus – nicht immer nur friedliche. Da wird es im Eifer des Gefechts auch mal heftig, nach dem Motto „Der hat aber angefangen“. Ein Lehrstück in Sachen Mittelalter, das bis heute funktioniert: Immer hat der andere angefangen. Im Schottischen Badehaus tragen die „Badeknechte“ Kilt und sonst, soweit sichtbar, nichts. Im Zuber sitzt noch niemand, aber das ändert sich gewiss noch. In der angeschlossenen Taverne gibt es Bier, Wein, Wasser, Traubensaft – alles neuzeitlich gekühlt aus dem Kühlschrank und in Steinkrügen, und sogar Met und besten Malt Whisky. Letzterer ist wegen der Hitze an diesem Nachmittag eher Dekoration. Wer vor der Hitze fliehen möchte, sucht den Weg zum Alten Rathaus. Im dortigen Erdgeschoss ist es kühl, nicht nur wegen der dicken Mauern: Das Foltermuseum, eine Ausstellung eines privaten Sammlers, kann einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Dabei beschränken sich die Ausstellungsstücke auf kleinere Strafen. Richtschwerter oder Eiserne Jungfrauen werden dem Besucher erspart. Was zu sehen ist, ist aufregend genug. Schandmasken mussten Verurteilte tragen, die lächerlich gemacht werden sollten. Sie waren aus Metall und stellten Tierköpfe dar, denen etwa eine Zunge heraus hing, wenn sie sich der Geschwätzigkeit schuldig gemacht hatten. Auch ein Pranger ist zu sehen, ein Holzgestell, in das der Delinquent am Hals und an den Händen eingeschlossen wurde. Vorübergehende konnten ihn verspotten oder mit Dreck bewerfen. Eine Halsgeige erfüllte den gleichen Zweck, Hals und Hände waren fest eingesperrt. Schlimmer noch war der „Storch“, eine metallene Fessel, die zur völligen Bewegungslosigkeit verdammte. Auch schwere Metallketten mit Halseisen liegen aus und Keuschheitsgürtel gab es wirklich. Einer gehört zur Sammlung, ein wahres Marterinstrument aus Metall. Und eine Ketzergabel wurde den Ungläubigen schmerzhaft zwischen Kinn und Halsgrube gerammt, so dass der Hals nicht mehr beweglich war. Ein harmlos aussehendes kleines Gerät war eine Daumenschraube, in das die Finger gespannt wurden. Nicht selten wurden die Knochen gebrochen. Direkt bei der Stadtbibliothek, also am passenden Ort, hat Ragnar Raimundson seinen Stand mit eigenen Büchern aufgeschlagen. Er ist Wikinger aus der Vorderpfalz, und seinen Namen hat er sich von der Hauptfigur seiner Bücher geborgt. Nicht weit entfernt kann man ausprobieren, wie es sich mit echten Gänsefedern und Tinte schrieb und sich an Initialen, den schön verzierten Anfangsbuchstaben mittelalterlicher Bücher, versuchen. Jarl Jorma hat sogar ein Kettenhemd komplett mit Helm ausgestellt, das man anprobieren kann. Ganz schön schwer! Währenddessen führen zwei Gaukler in Narrenkleidern ein improvisiertes kleines Stück auf, das Kinder und Erwachsene lockt, und die Musiker von Halitus Exprementes stimmen ihre Dudelsäcke – die brauchen keine neuzeitlichen elektrischen Verstärker. Bürgermeisterin Ilona Volk (Grüne) zeigt sich am Montag begeistert. „Unsere Erwartungen wurden mehr als übertroffen“, sagt sie. „Es war eine schöne, ganz besondere Atmosphäre.“ Die Verbindung aller Fest-Teile sei gut gelungen, jede Gruppierung wertgeschätzt worden. So habe das Zusammenspiel aus Swinging Schifferstadt, Oldtimer-Rallye, Ausstellung, ökumenischem Gottesdienst, Bücherei-Jubiläum und Mittelaltermarkt die Feierlichkeiten zu etwas ganz Besonderem werden lassen. „Alle Altersgruppen waren bei den Gästen vertreten“, sagt Volk. Vor allem in den Abendstunden sei die Festmeile gut besucht gewesen. Ihr ganz persönlicher Höhepunkt war, „dass aus dem Rathaus ganz schnell eine Burg wurde“. Mit Stoffvorhängen ist das Mauerwerk angedeutet worden. „Wir fühlten uns wahrhaftig ein Stück ins Mittelalter zurückversetzt.“

Im Foltermuseum lässt Dominik Eckel sich die Halskrause anlegen.
Im Foltermuseum lässt Dominik Eckel sich die Halskrause anlegen.
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