Rhein-Pfalz Kreis „Ich bin schon gelassener geworden“

«Bobenheim am Berg.»Vor 188 Tagen ist Norbert Schindler (CDU) aus dem Deutschen Bundestag verabschiedet worden, und das Land hat nach wie vor keine neue Regierung. Mit ein Grund, warum sein Draht nach Berlin noch warm ist.

„Hänn ehr se noch all?“ Norbert Schindlers Art, in Gremien und Gesprächsrunden Missbilligung auszudrücken, wird seinem politischen Slogan gerecht: pfälzisch, pragmatisch, profiliert. Wenn es um die Praxistauglichkeit von Entscheidungen und seine Überzeugung dazu ging, nahm der sechsmal direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Neustadt/Speyer selten ein Blatt vor den Mund. Der 68-Jährige war mit der Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzenden nicht immer einer Meinung, unter anderem in der Flüchtlingspolitik. Doch eine geeignete Nachfolge für Angela Merkel sieht er derzeit nicht. Mit seinen eigenen Nachfolgern dagegen ist er voll zufrieden – angefangen bei Sohn Stephan im landwirtschaftlichen Familienbetrieb über Markus Wolf im CDU-Kreisvorsitz bis hin zu Johannes Steiniger, der ihn als Wahlkreisabgeordneter und im Finanzausschuss des Bundestags beerbt hat. Schindler ist einer der am meisten unterschätzten Politiker aus der Pfalz, gemessen an seinem Einfluss. Neulich hat er es noch einmal in die satirische „Heute Show“ geschafft, als das ZDF seine zehn Jahre alte Schnapsidee vom Bundeswehreinsatz gegen Schwarzwild ausgegraben hatte. Auch über seine Weigerung, sich Sozialen Medien und der Internetplattform Abgeordnetenwatch zu unterwerfen, hat man sich mokiert. „Das interessiert mich nicht. Da lasse ich mich gerne vorführen“, winkt er ab. Was nicht heißt, dass Norbert Schindler nicht bestens vernetzt ist, unter anderem mit den SPD-Kollegen Andrea Nahles und Sigmar Gabriel. Den Pfälzer politisch vorzuführen, hat in seinen Metiers kaum einer geschafft. Er selbst weiß, was er vorzuweisen hat. So sei er „ganz stolz“ auf die Einführung des Euro: „Da war ich ganz maßgeblich mit dabei.“ Ebenso setzt er den gestaffelten Einkommensteuertarif aus den 1990ern und die Erbschaftssteuerreform von 2014, zu der er vor dem Verfassungsgericht plädiert hat, mit auf seine Erfolgsliste. „Dagegen bedaure ich sehr, dass wir die internationalen Geldflüsse in Europa nicht stärker unter Kontrolle bekommen haben. Das hat mein Gerechtigkeitsempfinden belastet.“ In der Landwirtschaft trieb den langjährigen Vorsitzenden der Bauern- und Winzerschaft Rheinland-Pfalz Süd die Umsetzung von Gesetzen und Maßnahmen um. Die Nähe zum Pfälzer Helmut Kohl war da hilfreich. „Die Saisonarbeitsregelung für Wein- und Gemüseanbau wurde samstagmorgens von Kohl, Blüm und Schindler im Bundeskanzleramt in Bonn beschlossen.“ Wie sieht die Bilanz im Wahlkreis aus? Positiv nennt der Bobenheimer unter anderem die Fortführung der B 271 als neue Weinstraße und die Konversion der Militäreinrichtungen in Speyer und Neustadt. Dass dagegen die Verlegung der Bundesstraße in Neustadt vom Bahnhof ins Tal, für die er 26 Millionen Euro bei Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) lockergemacht hatte, nicht umgesetzt wurde, weil das „von prominenten Bürgern verhindert“ worden sei, betrachtet er als große Niederlage. In dem knappen halben Jahr seit seiner letzten Bundestagssitzung hat sich Norbert Schindler mit dem Pensionärsleben arrangiert. Gerade ist er von den Seychellen heimgekehrt, einem Urlaub, wie er ihn mit seiner Frau Sigrid nun regelmäßig vorhat. Ihr sei er sehr dankbar, dass sie ebenso wie Sohn und Schwiegertochter seine Abwesenheiten hilfreich mitgetragen habe. Die drei Enkelinnen schauen regelmäßig vorbei, und seine Modelleisenbahn laufe hervorragend. „Ich lasse mir keine frühen Termine mehr festlegen, weil ich es genieße, erst ab halb neun oder neun zu frühstücken“ und dabei die RHEINPFALZ und die „Welt“ zu lesen. Kommunalpolitisch aktiv bleiben will Schindler im Dürkheimer Kreistag. Doch, er sei schon gelassener geworden, behauptet er. Über Brandthemen der Tagespolitik rege er sich nicht mehr auf, und bei „Quasselrunden im Fernsehen zappe ich weiter“. Dennoch blieb seine Meinung gefragt. Während der Jamaika-Sondierung erreichten ihn ständig fachspezifische Nachfragen speziell zu Energie und Landwirtschaft, sogar aus der Landes-FDP. Im Dezember war er als wiedergewählter Präsident der Landwirtschaftskammer zweimal in Berlin, im Januar viermal, fast jede Woche habe er Kontakt mit dem Europaparlament für sein letztes großes Anliegen, den Bio-Mix für schadstoffärmere Treibstoffe zu forcieren. Klar, dass der Interessensvertreter von Bauern und Winzern mit der Personalie Julia Klöckner als Landwirtschaftsministerin „hochzufrieden“ ist. Sie habe sich in den vergangenen drei Wochen viermal bei ihm gemeldet, sagt Schindler. Dafür setzt er sich dann auch mit Whatsapp auseinander ...

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