Rhein-Pfalz Kreis „Stadt erfindet sich neu“

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Ludwigshafen. 20 Studenten aus dem niederländischen Utrecht sind derzeit in Ludwigshafen, Mannheim und der Pfalz unterwegs. Sie studieren Raumplanung und Soziale Geografie. Im Gespräch berichtet ihr Professor, Thomas Hartmann von Stadtentwicklung, vom Leben am Fluss und von der Metropolregion.

Herr Hartmann, ihre Studenten wären schon lieber nach Berlin gefahren?

Da ist was dran. Wir haben als Teil des Studiengangs Soziale Geografie und Raumplanung verpflichtende Exkursionen. Dieses Jahr geht’s noch nach Tschechien, nach Schottland, nach Wales. Es geht bei den Exkursionen aber nicht nur um ansprechende Ausflugsziele, sondern inhaltlich um eine gewisse Breite der Geografie und Raumplanung. Und die findet man in Ludwigshafen? Genau genommen ist das Exkursionsziel die Metropolregion Rhein-Neckar. Wir beschäftigen uns unter anderem mit den Fragen: Wie hängen Region und Stadt miteinander zusammen? Was bedeutet es für eine Stadt, zu einer Region zu gehören, in der Städte beschlossen haben, eine Kooperation einzugehen? Wir befassen uns auch mit der Zusammenarbeit zwischen Mannheim und Ludwigshafen. Sie vergleichen auch das Image der beiden Schwesterstädte? Es geht dabei um das Bild der Stadt im Sinne von städtebaulichem Äußeren. Bei Mannheim und Ludwigshafen ist spannend, dass sie so gegensätzlich sind. Auf der einen Seite Mannheim als geplante Stadt mit einer ganz klaren Struktur. Es ist gleichzeitig eine historische Stadt. Und auf der anderen Seite eine sehr junge und industriell geprägte Stadt – Ludwigshafen, die aufgrund der Industrie viel Geld einnehmen konnte. Was folgt aus diesen Gegensätzen? Auf gewisse Weise ist es Ludwigshafen zum Verhängnis geworden, denn die Stadt hatte nach dem Krieg und in den 1960er-Jahren die Gelegenheit, das damalige raumplanerische Leitbild umzusetzen: eine autogerechte Stadt. Wir werden uns bei der Exkursion auch bei den Verantwortlichen über den aktuellen Umbau informieren. Denn Ludwigshafen erfindet sich gerade neu, entdeckt wieder den Fluss, etwa mit der Parkinsel und der Rheinuferbebauung. Fast alle großen Projekte in Ludwigshafen haben das Wort „Rhein“ in sich. Mannheim macht dies viel weniger. Für Ludwigshafen ist es nicht nur möglich, sondern auch nötig, sich neu zu erfinden. Bedeutet das für Ihre Studierenden auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Region? Wir haben bei den Exkursionsteilnehmern eine Mischung aus Sozialgeografen und Planern. Vereinfacht kann man sagen, Sozialgeografen können sehr gut analysieren, während Raumplaner konzeptioneller denken. Das macht es interessant, gemeinsam zu diskutieren, wie Ludwigshafen diese Neuerfindung derzeit umsetzt. Dazu kommt die Frage: Macht Ludwigshafen das gut? Was ist Ihre Meinung: Macht Ludwigshafen das gut? Ich glaube, dass es für Ludwigshafen notwendig ist, diese Erneuerung mit aller Kraft umzusetzen. Dabei geht die Stadt auch schon gute Wege. Aus ihrer Sicht ist das schon die richtige Strategie, denke ich. Auch Dinge wie die Hochstraßenveränderung. Das ist alles sehr zeitgemäß. Spannend ist die Frage: Wie sieht es in 20 oder 30 Jahren aus? Das sollen sich die Studenten auch kritisch überlegen. Welche Herausforderungen gibt es für Stadtplaner in den nächsten Jahren? Man kann ein paar große Trends festmachen, wie den Klima- und den demografischen Wandel oder den Umgang mit dem Gut Boden. Auch die ganze Metropolregion-Diskussion wird uns beschäftigen. Wie bewerten Sie das Konzept Metropolregion? Ehrlich gesagt glaube ich, dass Metropolregion kein wirkliches Konzept ist. Es ist ein Begriff, der geeignet ist, um Mittel einzuwerben und Investoren anzulocken. Das ist so ähnlich wie das Wort „Nachhaltigkeit“ eine zeitlang ein Leitbild, eine Mode. Es hat allerdings tatsächlich zu mehr regionaler Zusammenarbeit geführt. Das ist gut. Warum wenden sich so viele Städte den Flüssen zu? Es geht um eine Verbesserung der Stadtstruktur und um eine höhere Nachfrage nach städtischer Qualität. Erst in den letzten Jahren wendet sich die Stadtplanung den Flüssen wieder aktiv zu. Weil es eben nicht mehr in erster Linie Industriegebiete und funktionale Kanäle sind. Weil der Fluss nicht mehr nur eine reine Domäne der Wirtschaft ist. Gibt es mit der Rhein-Neckar-Region vergleichbare Gebiete in den Niederlanden? Ja, zum Beispiel die Region Arnheim/Nimwegen. In Nimwegen finden gerade auch große Bauprojekte am Fluss statt. Das lässt sich mit der Region Mannheim/Ludwigshafen vergleichen, wobei in Nimwegen nicht so viel Industrie ist wie hier in Ludwigshafen. Fünf Tage lang sind Sie in der Region unterwegs. Was wird am Ende der Exkursion stehen? Wir werden die Exkursion auf dem Wachenheimer Weinfest abschließen. Das ist ein Teil der pfälzischen Kultur, den ich den Studierenden auf keinen Fall vorenthalten möchte. Zur Person Der gebürtige Mannheimer Thomas Hartmann (37) lehrt an der Universität Utrecht Soziale Geografie und Raumplanung. Sein Spezialgebiet ist das Thema „Hochwasser und Raumplanung“. Ludwigshafen kennt er durch seine aktive Zeit bei den Johannitern. Als Jugendlicher hat er unter anderem beim Rettungsdienst gearbeitet.

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