Speyer Erzherzog Karl von Habsburg-Lothringen: „Kenntnis der Geschichte ist wichtig“

In der Speyerer „Habsburger“-Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz: Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit Erzherzog Kar
In der Speyerer »Habsburger«-Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz: Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit Erzherzog Karl von Habsburg-Lothringen.

Die Landesausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“ im Historischen Museum in Speyer ist seinen Vorfahren gewidmet. Natürlich war der Chef des Hauses Habsburg, Erzherzog Karl von Habsburg-Lothringen, dazu in Speyer. Und das nicht zum ersten Mal. Mit Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit sprach Karl Georg Berg über die Ausstellung und die Linien vom Mittelalter in Heute.

Kaiserliche Hoheit, Ihr Vater, Otto von Habsburg, war bekanntermaßen mehrfach in Speyer, waren Sie vor Ihrem Besuch der „Habsburger“-Ausstellung auch schon in Speyer?
Oh ja, schon einige Male – zusammen mit meinem Vater. Das erste Mal muss so um 1980 gewesen sein, wohl bei einer politischen Veranstaltung. Seither war ich immer wieder in Speyer. Es gibt ja einen familiären Bezug zu Speyer und zum Dom, der in einem fantastischen Zustand ist und seine Bedeutung großartig präsentiert. So ist es klar, dass die Familie, wann immer das möglich ist, hierher kommt.

Sie leben in Wien, wo das Wirken Ihrer Familien ja gleichsam allgegenwärtig ist. Wie bewusst sind Ihnen und Ihrer Familie Ihre mittelalterlichen Vorfahren, um die es in der Speyerer Ausstellung geht?
Sehr bewusst. Wenn wir wissen wollen, wohin wir gehen sollen, müssen wir alle wissen, woher wir kommen. Deshalb ist die Kenntnis der Geschichte ganz wichtig.

Das Mittelalter war eine andere Welt als die unserer heute und doch – das sagt zum Beispiel der Historiker Jacques LeGoff – liegt in ihr die Geburtsstunde des heutigen Europa? Ihr Vater und Sie waren Europa-Abgeordnete. Was können wir heute in europäischer Sicht von den mittelalterlichen Habsburgern lernen?
Da gibt es garantiert sehr viele Linien vom abendländischen Mittelalter bis heute. Nicht zuletzt betrifft das die Wertvorstellungen, die das heutige Europa ausmachen und die das Alleinstellungsmerkmal von Europa sind. Ich nenne hier nur das föderale Denken. Um einen ganz spezifischen Aspekt zu erwähnen: die Gründungszeit des Ordens vom Goldenen Vlies in Burgund. Wo Philipp, der Gute, Herzog von Burgund, vereinfacht ausgedrückt, seine Nachbarstaatschefs einlädt, um mit ihnen zusammenzusitzen und die wichtigsten Belange der unmittelbaren Region zu besprechen. Jedes Mal, wenn ich den Rat der Europäischen Union zusammensitzen sehe, denk ich zurück an dieser Art Gründerzeiten, die ihre Auswirkungen bis in die heutige Zeit haben.

Gibt es weitere, auch kulturelle und gesellschaftliche Aspekte und Dimensionen aus der mittelalterlichen Welt, die für uns heute von Bedeutung sind?
Ein ganz wesentlicher Aspekt, der sich im Mittelalter herangebildet ist – das darf man nicht vergessen –, sind die christlichen Wertvorstellungen, die die Basis des heutigen Europa ausmachen. Ob es manchen Leuten gefällt oder nicht, ist dabei nicht die Frage. Unsere Gesellschaft ist aufgebaut auf christlichen Wertvorstellungen. Das Subsidiaritätsprinzip ist ja kein politisches Prinzip, sondern ein gesellschaftliches – und es stammt aus der christlichen Soziallehre. Dieses ist auch nach dem Maastricht-Vertrag eine Grundlage der Europäischen Union. Es gibt viele solcher Linien, die sich durch die Geschichte ziehen, das merkt man schon in einem besonderen Ausmaß.

Die Grabplatte König Rudolfs soll die erste authentische Darstellung eines mittelalterlichen Herrschers sein. Was ist Ihre Einschätzung aus Sicht der Familie? Sah Rudolf so aus?
Ich bin ein rational denkender Mensch und kein Nostalgiker. Ich schaue so etwas mit geschichtlichem Interesse an. Wenn man sich die eigene Familiengeschichte anschaut, ist das natürlich interessant, aber ich erkenne mich nicht wieder in dem Bildnis. Die Fragestellung ist auch irrelevant für mich.

In Deutschland gab es eine beliebte Fernsehsendung „Ich trage einen großen Namen“, bei der Nachfahren berühmter Persönlichkeiten auftreten und der Vorfahre erraten werden muss. Dabei wurde den Gästen immer die Frage gestellt: Glauben Sie, dem berühmten Vorfahren ähnlich zu sehen? Was sagen Sie dazu?
In der Sendung bin ich auch schon aufgetreten. Mich interessiert aber mehr als Äußeres die Frage: Was waren die politischen Zielrichtungen in der damaligen Zeit und was setzt sich historisch durch?

Wie beurteilen Sie die Speyerer Habsburger-Ausstellung?
Sie ist fantastisch. Hier wird ein geschichtlicher Zeitraum vorgestellt, der zuvor nicht genügend behandelt wurde und über den wir nicht genügend wussten. Nun wird der plötzlich beleuchtet, das ist eine wunderschöne Situation. Wir können nun die Zusammenhänge damals verstehen und ihre Auswirkungen auf die Zeit danach. Das ist extrem wichtig. Ich bis auch absolut begeistert, wie großartig die Themen, die in der Ausstellung vorkommen, behandelt werden – und dass sich die Ausstellung nicht nur mit Kunstobjekten auseinandersetzt, sondern auch mit Lebensweisen, etwa der Frage der Begräbnisstätten und Begräbnisriten oder Ähnliches. Es ist ein wunderschönes Kompendium.

Eine sozusagen boulevardeske Frage: durch den Tod und das Begräbnis der Queen haben Monarchie und Herrscherdynastien derzeit noch mehr mediale Präsenz und finden noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit als sonst. Wie erklären Sie sich das bleibende Interesse daran?
Die Monarchie ist eine Staatsform wie alle anderen – und Staatsformen sind mal stärker, mal schwächer. Wie sie eben den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Monarchie ist keine Staatsform der Vergangenen. Einer der Hauptbedürfnisse der Menschen, das kann jeder Psychologe bestätigen, ist das Bedürfnis nach Kontinuität. Dem und dem Bedürfnis nach Berechenbarkeit kommt die Monarchie am meisten entgegen.

Spüren Sie dies ganz konkret?
Natürlich. Sehr viele Menschen, die mir begegnen, wissen oft nicht, wie sie mir gegenüber treten sollen, halten mich womöglich für die Form eines übergebliebenen Dinosauriers. Persönlich kommt ich mir nicht so vor, wenn ich in den Spiegel schaue. Man erlebt da alles. Doch die Sache relativiert sich meistens schnell. Ich habe das Gefühl, dass ich mich leicht mit Menschen unterhalten kann und das gerne tue. Und wenn die Interessen mehr auf die Zukunft ausgerichtet sind als auf die Vergangenheit, gestaltet sind eine Unterhaltung wesentlich leichter.

Zur Person

Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit Erzherzog Karl von Habsburg-Lothringen, als österreichischer Staatsbürger Karl Thomas Robert Maria Franziskus Georg Bahnam Habsburg-Lothringen, wurde 1961 als ältester Sohn von Otto von Habsburg, dem Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl I., geboren. Wie sein Vater war er Mitglied im Europaparlament. Er ist Medienunternehmer und Land- und Forstwirt. Seit 2007 ist er familienintern das Oberhaupt der Familie Habsburg.

Die Ausstellung

Die Landesausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“ ist bis zum 16. April im Historischen Museum der Pfalz in Speyer täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Infos unter www.habsburger-ausstellung.de.

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