Speyer Flirrende Töne und Inferno auf vier Saiten

Ohne Bruch hat sich die Cellistin Christina Meißner am Samstag im ersten Konzert der Reihe „Cantate Domino“ in der Speyerer Domkrypta durch 1000 Jahre Musikgeschichte gespielt. Ihren Konzerttitel „Übergänge“ löste die Weimarer Solistin mit der Reihung ihrer Vorträge ein.

Gesänge der Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert standen an prominenter Stelle des gut einstündigen Konzerts. In Hildegards periodisch angelegten Sentenzen konnte Meißners edler, sanfter, freier Celloklang ruhig ausschwingen. Sequenzen der ersten Hildegard-Melodie liefen tonsymbolisch zum Aufrichten des Menschen an Gott hoch auf. Zum Konzert-Ausklang schritt das Auf und Ab der Melodie im Gottvertrauen unverzagt fort. Nach dieser Frühmusik schraubte sich die alles auswendig beherrschende Musikerin direkt von Hildegards Bass-Note aus im modernsten Stück des Abends, einer Vokalise der Russin Sofia Gubaidulina auf die Offenbarung des Unsichtbaren, in intensiven Steigerungen in höchste Höhen. Das war Magie der Töne. Am hohen Firmament schwirrender und flirrender Töne konnte sich die Weimarer Cellistin in akustischen Feinzeichnungen des Italieners Salvatore Sciarrino vom Ende der Nacht (1984) ergehen. Doppelgriffiges Flageolett-Zittern ließ die Vögel in der Morgendämmerung pfeifen. Geräusche umzirpten das spärliche Publikum, ebbten ins Vergeistigte ab und lebten wieder auf. Handfester rang sich da der lange inhaftierte Koreaner Isang Yun in seinen „Glissés“ von 1970 mit dröhnend gerissenen Pizzikati seinen Schmerz von der Seele. Energische Motionen reckten sich in die Höhe und bohrten sich in wiederkehrende Tonfolgen. Gewandt bewegte sich die engagierte Solistin in diesem explodierenden Inferno auf vier Saiten. Zwischen all diesem Neuen und Aller-Neuesten spielte die Gast-Cellistin der Dommusik mit leichter Hand ein sich metrisch unablässig steigerndes Ricercar des Vor-Bach-Italieners Antonii. Von Bach selbst präsentierte sie sehr warm und kantabel die zweite Solo-Cello-Suite d-Moll. Deren gestalterische Fülle spielte sie zwar ohne scharfkantige Konturierung, aber dennoch filigran aus. Wie ein fein koloriertes Fresko drapierten sich Bachs Tanzsätze diesmal hin. In sanfter Gefasstheit intonierte die Gastsolistin die Sarabande ganz so, wie sie gut in die Krypta als Ruhestätte passte. Ein musikalisch reichhaltiger, in sich geschlossener Abend.

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