Speyer Gedenktafel angeregt

NS-Bücherverbrennung 1933 in Speyer.
NS-Bücherverbrennung 1933 in Speyer.

„Die Erinnerung wachhalten“: Der Literarische Vereins der Pfalz, Sektion Speyer, hat zum zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung 1933 eine Erklärung verfasst.

Am 6. Mai 2033 jährt sich zum 90. Mal der Tag der Bücherverbrennung durch die nationalsozialistische Bewegung in Speyer. Aus diesem Anlass hat der Literarische Verein der Pfalz e.V. (Sektion Speyer) eine Erklärung veröffentlicht, in der er sich dafür einsetzt, die Erinnerung an diesen „Tiefpunkt der Literaturgeschichte der Pfalz“ wachzuhalten.

Sie lautet: „Am 6. Mai 2023 jährt sich zum 90. Mal der Tag der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten in unserer Stadt. Dieses Ereignis war Teil der breit angelegten Einschüchterungs- und Ausgrenzungspolitik der neuen Machthaber und ihrer Handlanger gegen das freie Wort, gegen Aufklärung und Menschenrechte. Die Literaturgeschichte der Pfalz hatte ihren entsetzlichen Tiefpunkt erreicht.

Nachdem es bereits im März 1933 in Kaiserlautern zur Plünderung eines Zeitungshauses und zu Verbrennungen von Druckschriften gekommen war, bildete das Autodafé in Speyer den grausigen Auftakt zu einer ganzen Reihe ähnlicher Aktionen. In den nächsten Tagen folgten öffentliche Bücherverbrennungen u.a. in Bad Dürkheim und Frankenthal (7. Mai), Ludwigshafen und Annweiler (8. Mai), Pirmasens (9. Mai), Landau (10. Mai) und Neustadt (14. Mai). An mehr als zehn Orten der bayerischen Pfalz kam es im Laufe des Jahres zu vergleichbaren Kampagnen.

Schon im April 1933 hatte der ,Volksbildungsverband Pfalz-Saar, Kampfbund für deutsche Kultur in der Westmark’ — dem Ende April der Literarische Verein der Pfalz zwangsweise eingegliedert wurde — die Stadt wissen lassen, dass in den Volksbüchereien in Zukunft ,für volksfremde, marxistische und religionsfeindliche Bücher kein Platz mehr’ sei. Zur Bekräftigung der NS-Politik organisierte die Hitlerjugend am Abend des 6. Mai im Rahmen des ,Tages der bayerischen Jugend’ auf dem Marktplatz der Stadt einen großen Aufmarsch. Zum Klang mehrerer Musikkapellen defilierten Abordnungen der örtlichen Jugendorganisationen, Sportvereine und Schulen, der Lehrerbildungsanstalt und des Marinevereins am Rathaus vorbei. Als Höhepunkt der Veranstaltung wurden Bücher verbrannt, die aus den Speyerer Schulbibliotheken entfernt worden waren.

Sinnbild der Vernichtungswut war Erich Maria Remarques Antikriegsroman ,Im Westen nichts Neues’, der hier und an praktisch allen weiteren Orten von Bücherverbrennungen den Flammen übergeben wurde. Im Verlauf des Jahres wurden die ,Schwarzen Listen’, d.h. der Kreis der ausgesonderten Werke und verfolgten Autoren immer größer. Ernst Bloch, Bertolt Brecht, Otto Dix, Alfred Döblin, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Heinrich Heine, Ödön von Horváth, Franz Kafka, Erich Kästner, Karl Kraus, Heinrich Mann, Klaus Mann, Carl von Ossietzky, Joseph Roth, Anna Seghers, Arthur Schnitzler, Bertha von Suttner, Kurt Tucholsky, Arnold Zweig und Stefan Zweig — sie und viele andere wurden zu Zielen des kollektiven Hasses und der systematischen Verfolgung. Zahlreiche Künstler wurden in den Folgejahren ins Exil getrieben, verloren ihre Publikationsmöglichkeiten, wurden inhaftiert oder ermordet.

Die Erinnerung an diese Verbrechen gegen das freie Wort erfüllt uns noch heute mit Schrecken.

Voller Sorge müssen wir konstatieren, dass es in vielen Ländern der Erde, auch solchen mit gefestigter Demokratie, noch heute und mancherorts sogar verstärkt aus ideologischen oder politischen Gründen zu willkürlichen Eingriffen in Bibliotheksbestände und Lehrpläne kommt.

Politik gegen die Literatur, unter welchen Vorzeichen und in welchen Formen auch immer, ist immer eine Politik gegen die Aufklärung. Zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2022 unterstrich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bücher seien ,nicht bloß eine Metapher für diese ;Lesbarkeit der Welt’ – sie sind das unverzichtbare Mittel genau dafür, die Welt, unser Leben, unsere Gesellschaft, kurzum: uns selbst verstehen zu können.’

Der 1878 gegründete Literarische Verein der Pfalz setzt sich dafür ein, dass die Erinnerung an die Unterdrückung der Literatur unter dem NS-Regime nicht verblasst.

Die Sektion Speyer regt an, dass die Stadt am Ort der Bücherverbrennung 1933 (vor dem heutigen Gebäude in der Maximilianstraße 12) eine Gedenktafel anbringt, wie dies in zahlreichen anderen Städten bereits geschehen ist.“

x