Speyer „Guten Tag, meine Herren Chefs“

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„Das ist der Neue.“ Ein Besucher stellt seiner Begleitung Günter Geisthardt vor. Gerade sind er und sein Amtsvorgänger angekommen. Drei Stunden kirchlicher und weltlicher Abschied beziehungsweise Amtseinführung liegen hinter den Pfarrern.

Werner Schwartz hatte die Gottesdienstbesucher zum Jahresfest der Diakonissen Speyer-Mannheim in den Park am Mutterhaus eingeladen. Jeder möchte noch ein paar Worte sagen, ein Geschenk überreichen, dem einen die Hand zum Abschied schütteln, den anderen begrüßen. Mehrere Hundert Hände hätten sich ihnen heute schon entgegengestreckt, sind Geisthardt und Schwartz überzeugt. Hunger und Durst haben beide. Das Verpflegungszelt erreichen die Pfarrer erst nach ein paar Dutzend Kurzgesprächen über den schönen Gottesdienst, das noch bessere Wetter und die Bitte des scheidenden Vorstehers, Geschenke an der Pforte abzugeben. Endlich: Zwei Schnitzel liegen auf jedem Teller von Geisthardt und Schwartz. Auf der Suche nach einem Schattenplatz schütteln sie mit ihrer einen freien Hand weitere Hände. Am Bethesda-Stand finden sie einen Platz. Die Schnitzel sind nur noch lauwarm. „Lieber Gott, lass Deinen Segen über meinen Teller fegen“, zitiert Schwartz ein Gebet. Gaby Schwartz, Ehefrau des scheidenden Vorstehers, hat die eleganten gegen bequeme Schuhe getauscht. „Ich versinke in Bücherkisten“, berichtet sie einer Besucherin im Hinblick auf den Umzug nach Ludwigshafen. Im November soll es soweit sein. Das „Speyer-Monopoly“, das Oberbürgermeister Hansjörg Eger ihrem Mann zum Abschied geschenkt habe, werde sie zunächst an Geisthardts weitergeben. „Damit können sie die Stadt spielerisch erkunden.“ Ehemann Werner steht am Flomarktstand des Hospiz am Wilhelminenstift. Samowar, hölzerne Kanone, Bücher, Geschirr, Kleinmöbel: Schwartz hat die Wahl. „Ich kaufe lieber nichts. Es könnten Dinge dabei sein, die meine Frau gebracht hat“, sagt er. Auch Ursula Saile-Geisthardt, Ehefrau des neuen Vorstehers, hat sich umgezogen. Im luftigen Sommerkleid begrüßt sie Freunde aus Tübingen, umarmt Gäste aus Flensburg und Dessau. Ehemann Günter wechselt erste Worte mit künftigen Mitarbeitern, erzählt von seinem Jahresfest-Besuch im vergangenen Jahr. „Damals habe ich schon bewundert, wie die Zusammenarbeit hier funktioniert“, sagt er. Im Gegensatz zu Schwartz will er sich am Abbau des Festes nicht beteiligen. „Ich weiß noch nicht, wohin alles gehört“, erklärt er. Das Unternehmen kenne er bereits gut, berichtet Geisthardt. Er arbeitete drei Wochen in einer Bürogemeinschaft mit Schwartz. „Gestern habe ich meine restlichen Sachen ausgeräumt“, sagt der scheidende Vorsteher. Sie teilten auch private Vorlieben. Dazu zählt Amrum, die Lieblings-Nordseeinsel der beiden. „In diesem Jahr waren wir eine Woche gleichzeitig da“, sagt Geisthardt. „Guten Tag, meine Herren Chefs“, begrüßt eine Mitarbeiterin die beiden Pfarrer Geisthardt und Schwartz. Sie bietet kalte Getränke zur Erfrischung an. „Er ist fort, aber nicht auf der Flucht“, erklärt Geisthardt einem Besucher, der auf der Suche nach Schwartz am Tisch stehenbleibt. Ein von Mitarbeiterinnen für ihn hergestelltes Puzzle in der Hand, steht Schwartz abseits auf der Wiese und lobt die Belegschaft, der er bis jetzt vorgestanden hat. „Sie haben viel für das Unternehmen geleistet.“ „Schön, dass alle da sind“, sagt Geisthardt. Sein Vorgänger stimmt ihm zu mit den Worten „schön, dass alle gekommen sind“, und klappt die erste Bierbank zusammen. „Das gehört sich so für einen gelernten Gemeindepfarrer“, sagt Schwartz. Zum Jahresfest 2016 wolle er wieder da sein, kündigt Schwartz an. „Wenn ich darf.“ Geisthardt entgegnet: „Wir haben nicht vor, das Datum geheim zu halten.“ Die Serie Für diese Serie, eine Momentaufnahme aus dem Alltag, sind wir in jeder Woche gezielt in der Stadt unterwegs.

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