Speyer „Ich würde es wieder machen“

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Frau Reschke, wie kommt man mit einem Kommentar in die „Tagesthemen“?

Jeden Tag um 14 Uhr schalten sich die Chefredakteure der einzelnen ARD-Rundfunkanstalten, also NDR, MDR, SWR, Bayerischer Rundfunk und so weiter, zusammen und entscheiden, welches Thema heute Abend in den Tagesthemen kommentiert werden soll. Danach kann jede Rundfunkanstalt einen Kommentator benennen. Anschließend wird dann wieder gemeinsam entschieden, wer den Zuschlag bekommt. Dem Kommentator wird dann auch gratuliert. Im August 2015 haben Sie zum Aufstand der Anständigen aufgerufen und den Hass gegen Flüchtlinge verurteilt. Hat es was gebracht? Ich würde mir nicht anmaßen, etwas verändert zu haben. Im August war das aber noch kein Thema, obwohl damals schon Asylbewerberheime gebrannt haben, und es den Hass im Netz gab. Ich habe nur als Erste die Stimme erhoben und darauf aufmerksam gemacht, was hier passiert. Damit habe ich anscheinend vielen Menschen aus der Seele gesprochen, die das Problem auch schon erkannt hatten. Ich habe das Thema gesetzt und verbalisiert und wurde ungewollt zur Person, die damit in Verbindung gebracht wurde. Inzwischen ist viel passiert (Silvester in Köln, Axt-Angriff in Bayern et cetera). Würden Sie heute genauso wieder kommentieren? Ja, aber ich würde es nicht mehr so unbedarft machen. Und ich würde wissen, was es bedeutet. Aber ich würde es mit den gleichen Worten kommentieren. Mit ihrem Aufruf „Ich freue mich jetzt schon auf die Kommentare“ haben Sie die Menschen bewusst provoziert. Waren Sie geschockt über den Hass, der Ihnen entgegenschlug? Mir war bewusst, das Reaktionen kommen. Der Kommentar war ja auch provokativ. Ich habe mir damit nicht nur Freunde gemacht und Lob bekommen, sondern viele Gegner auf den Plan gerufen. Mir war aber nicht klar, wie sehr das verbal ausartet und wie sehr ich beschimpft werden würde, wie groß der Hass ist und wie stark mir das Thema im Mund verdreht wird. Wie geht die „Journalistin des Jahres 2015“ mit den Liebesbeweisen auf der einen Seite und den Hasskommentaren auf der anderen Seite um? Wie schafft man es, „normal“ zu bleiben? Kein Ahnung, ich hoffe, dass ich normal geblieben bin. Die Liebesbeweise und der Hass: Beide Spitzen sind unangenehm. Zum Messias erklärt zu werden und andererseits den Hass zu erfahren. Ich habe als Journalistin nur meinen Job gemacht, einen Kommentar gesprochen. Meine Arbeit als Journalistin hat mich vor vielem bewahrt. Die Auszeichnung „Journalistin des Jahres“ freut mich natürlich, aber andere Kollegen machen genauso einen guten Job. Sie bekommen morgen den Martinipreis der SPD Südpfalz verliehen, weil Sie laut der Begründung der Partei „mutig gegen Vorurteile und dumpfe politische Instinkte eingetreten sind“. Ist diese Haltung nicht selbstverständlich? Da ist es auch so. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich diesen Preis bekomme, aber es gibt so viele Leute, die ihn eher verdient hätten. Jeder Bürgermeister in Sachsen, der die Fahne in seinem Ort hochhält, hat es schwer. Bis zum August 2015 habe ich gedacht, dass meine Haltung selbstverständlich ist. Ich musste lernen, dass es nicht so ist. Viele Freunde haben mir gesagt, wie mutig ich bin. Ich fand mich nicht mutig. Erst im Nachhinein, als mir der Hass entgegenschlug, habe ich gemerkt, dass ich doch mutiger war, als ich gedacht habe. Populisten sind auf der Siegerstraße. Haben Sie Angst um Deutschland? Angst habe ich nicht. Ich glaube an die Stabilität unseres Landes. Populisten legen Umfragen immer anders aus, aber ich glaube, dass unser Land im Lot ist. Was aber zugenommen hat, ist die verbale und auch tätliche Gewalt. Ich habe gemerkt, wie leicht Sprachtabus gebrochen werden. Was früher als selbstverständlich galt, ist es heute nicht mehr. Man denke zum Beispiel an den Sieg von Donald Trump. Wie verfänglich Populisten sind, das macht mir Sorge. Zum Schluss noch etwas ganz anderes: Für Pfälzer ist die Pfalz der Himmel auf Erden. Für Sie auch? Als gebürtige Bayerin sind mir glückliche Menschen auf Festen, die den Wein, die schönen Landschaften und die Freuden des Lebens genießen, sehr ans Herz gewachsen. Deshalb kann ich die Pfälzer Lebensart nachvollziehen. Ich war auch schon oft dort. Wo waren Sie denn schon in der Pfalz? Ganz in der Nähe, wo ich am Sonntag den Preis verliehen bekomme. In einem Dorf bei Landau, Roschbach heißt das. Dort wohnte eine Freundin.

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