Speyer Internationale Musiktage Dom zu Speyer beginnen bald

Die Thomaskirche in Leipzig: Blick auf die Westempore in der heutigen Gestalt mit der spätromantischen Sauer-Orgel. Von 1723 bis
Die Thomaskirche in Leipzig: Blick auf die Westempore in der heutigen Gestalt mit der spätromantischen Sauer-Orgel. Von 1723 bis 1750 wirkte Johann Sebastian Bach in diesem Gotteshaus als Kantor. Am 21. und 22. Oktober wird der Mädchenchor am Dom zu Speyer unter Domkapellmeister Markus Melchiori hier die Motette musikalisch mitgestalten.

Der Countdown läuft: In 17 Tagen beginnen die Internationalen Musiktage Dom zu Speyer. Bemerkungen zu den drei Werken, die im Eröffnungskonzert erklingen.

Warum heißt der Neandertaler Neandertaler? Klar, weil seine Überreste im Neandertal bei Düsseldorf gefunden wurden. Aber warum heißt das Neandertal Neandertal? Weil dort in der Mitte des 17. Jahrhunderts ein evangelisch-reformierter Pastor gerne lustwandelte. Dieser hieß Joachim Neander – und im 19. Jahrhundert bekam dem Kirchenmann und Poeten zu Ehren das Tal den Namen Neandertal. Streng genommen hätte es Neumanntal heißen müssen, denn das war der ursprüngliche Name der Familie. Doch Joachims Großvater übertrug den Namen ins Griechische (Reformator Schwartzerdt alias Melanchthon hat das auch so gemacht). Neander klingt auf jeden Fall besser – und der Neumanntaler als unser Artverwandter klänge ja auch seltsam.

Der Name Joachim Neander mag heute nicht mehr sehr geläufig sein, wohl aber ist es ein Text von ihm, der zu einem der in beiden Konfessionen beliebtesten Kirchenlieder gehört: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“. Ob Neander die Inspiration dazu bei einem seiner Spaziergänge im Neandertal hatte? Er wäre gut möglich. Schließlich sollte das Lied weniger in der Kirche gesungen werden als, so sein Autor, „auff Reisen /zu Hauß oder bei Christen-Ergetzungen im Grünen“.

Nachgereichte Choralkantate

Joachim Neander lebte von 1650 bis 1680. 45 Jahre nach seinem Tod komponierte in Leipzig der dortige Kantor an der Thomaskirche eine Kantate über „Lobe den Herren“ für den zwölften Sonntag nach Trinitatis (der ist in diesem Jahr übrigens am nächsten Sonntag). Besagter Komponist hatte einen Jahrgang mit Kantaten über lutherische Choräle, also evangelische Kirchenlieder geschrieben. Die „Lobe den Herren“-Kantate war ein Nachzügler und fällt aus dem Rahmen, denn hier wird der reine fünfstrophige Liedtext vertont, nicht wie sonst teilweise frei nachgedichtet. Und die Liedmelodie ist auch in jedem der fünf Sätze deutlich hörbar.

Natürlich ist Johann Sebastian Bach dieser Komponist gewesen – und die Kantate BWV 137 gehört nicht umsonst zu seinen beliebtesten und festlichsten, denn hier wirken im Trompeten und Pauken mit.

Bachs Kantate erklingt am 17. September um 19.30 Uhr im Dom beim Eröffnungskonzert der Internationalen Musiktage Dom zu Speyer, die dadurch auch zu einem Bachfest werden. Sonst sind heuer ja Schütz und Händel die zentralen Komponisten des bis zum 3. Oktober währenden Festivals. Händel war ja auch zunächst für den ersten Abend geplant gewesen. Nun gibt es neben der „Lobe den Herren“-Kantate von Bach auch dessen Ratswahlkantate „Wir danken Dir, Gott, wir danken Dir“ BWV 29.

2020 im ersten Corona-Jahr erklang just diese Kantate bei den Musiktagen schon mal im Dom mit dem Domchor auf Abstand. Jetzt singen Mädchenchor und Domsingknaben unter Domkantor Joachim Weller.

Lobgesang aus Venedig

Die festliche Kantate 29 beginnt mit einem virtuosen Orgelkonzert, diesem folgt ein polyphoner Chor, den Bach später in der h-moll-Messe parodiert, also wiederverwendet und mit neuem Text versehen hat. Und das gleich zweimal: Für das Gratias agimus im Gloria (die Texte sind hier im Ausdruck auch sehr ähnlich) und für das abschließende Dona nobis pacem, bei dem die Bitte um Frieden dergestalt einen nicht flehentlichen, sondern glaubensgewissen Ausdruck findet. Der Satz ist genial konzipiert. Die Instrumente folgen hier den Singstimmen, drei Mal stimmt auch die Trompete in den Gesang des Soprans ein. Doch am Ende lösen sich die Trompeten dann doch vom Chorsatz und überhöhen zusammen mit den Akzenten der Pauken den Lobgesang auf eine wunderbare Weise.

Der Lobgesang der Messe, das Gloria, wird im Ganzen das Eröffnungskonzert krönen: mit dem bekannten Gloria von Antonio Vivaldi. Bach schätzte bekanntlich den sieben Jahre älteren venezianischen Meister sehr und bearbeitete auch Stücke von diesem.

Das Gloria komponierte Vivaldi als Einzelwerk wohl um 1715 während seiner Zeit am Ospedale della Pietà, einem Waisenhaus für Mädchen in Venedig, wo er erst als Musiklehrer und Priester, dann als Musikdirektor tätig war. Das halbstündige Gloria ist wie eine Kantate in unterschiedliche Sätze gegliedert und setzt drei hohe Stimmen solistisch ein. Im Schlusschor greift Vivaldi die rhythmisch zündende Musik des Angangs wieder auf, ehe eine große Fuge das Werk beschließt

Das unterschiedliche Tempo

Ein Hörtipp zu Vivaldi: Von dessen Gloria gibt es unzählige Aufnahmen, eine der besten ist die 2018 bei Decca erschienene mit dem Coro della Radiotelevisione Svizzera und I Barocchisti unter Diego Fasolis. Vokalsolisten sind hier zwei der besten Barocksänger unserer Tage: die Sopranistin Julia Lezhneva und der Countertenor Franco Fagioli. Apropos Diego Fasolis: Der Schweizer Dirigent hat auch eine Aufnahme der h-moll-Messe von Bach vorgelegt, die 1997 in der Kathedrale von Lugano aufgenommen wurde. Mit dabei waren übrigens die in Speyer bestens bekannten Solisten Christoph Prégardien und Klaus Mertens.

Das Besondere dieser ebenfalls großartigen Einspielung: Im Unterschied zu fast allen seinen Kollegen nimmt Fasolis das Gratias agimus und das Dona nobis pacem (also die Sätze nach dem Chor aus Kantate 29) nicht im selben, sondern in einem unterschiedlichen Tempo.

Das abschließende Dona nobis ist bei ihm viel getragener: Die Wirkung ist phänomenal. Eine sinnfällige Interpretation ist es dazu.

Bei der Aufführung 2020 gab es im Speyerer Dom als Zugabe den Satz als Dona nobis aus der h-moll-Messe. Ob es diesmal ebenso sein wird?

Info

Die Internationalen Musiktage Dom zu Speyer gehen vom 17. September bis 3. Oktober. Das Eröffnungskonzert am Samstag, 17. September, um 19.30 Uhr im Dom hat das Motto „Gloria in excelsis Deo“. Bachs Kantaten „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“ BWV 29 und „Lobe den Herren, den mächtigen König“ BWV 137 sowie Vivaldis Gloria D-Dur RV 589 musizieren Anna Feith und Julie Grutzka, Sopran, Franz Vitzthum, Altus, Daniel Schreiber, Tenor, Michael Marz, Bass, der Mädchenchor am Dom zu Speyer, die Domsingknaben sowie die Churpfälzische Hofcapelle (auf historischen Instrumenten). Domkantor Joachim Weller hat die Leitung. Karten gibt es im Dom-Besucherzentrum, Domplatz 1b, in der Tourist-Information der Stadt Speyer, Maximilianstraße 13, 06232 142392, online unter www.reservix.de und bei allen ReserviX-Vorverkaufsstellen bundesweit, auch beim RHEINPFALZ-Ticketservice.

Joachim Neander: Porträt des Pfarrers in einer Lithographie des 19. Jahrhunderts nach einem verschollenen Gemälde.
Joachim Neander: Porträt des Pfarrers in einer Lithographie des 19. Jahrhunderts nach einem verschollenen Gemälde.
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