Speyer „Kabarett muss weh tun“

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Der Kabarettist Gerd Dudenhöffer ist Heinz Becker. Auf der Bühne und ein bisschen auch privat. Mit seinem aktuellen Programm „Vita. Chronik eines Stillstandes“ steht er in seiner langjährigen Paraderolle am Mittwoch, 28. September, 20 Uhr, in der Speyerer Stadthalle auf der Bühne. Unser Mitarbeiter Simon Michaelis hat vorab mit dem 66-Jährigen gesprochen.

Herr Dudenhöffer, warum sitzt Heinz Becker eigentlich immer?

Wenn jemand auf der Bühne sitzen muss, dann Heinz Becker. Je unbeweglicher desto besser. Das betont das Starre, dieses In-sich-Verankerte. Ich mache auch nie Kurzauftritte bei Fernsehsendungen, weil es da oft heißt: „Sie haben vier Minuten.“ So lange brauche ich ja allein schon, bis er sitzt. Das ist eben ein Wesenszug. Heinz ist auch Batschkapp. Wie viele davon haben Sie eigentlich? Eine. Ich hatte natürlich schon viele, aber im Moment bin ich bei einer Cord-Mütze. Die ist so furchtbar, dass ich sie schon wieder liebe. Die Kappe wird ja mit einem Mikrofon präpariert. Im Schirm vorne ist ein Loch reingebohrt, da steckt das Mikrofon drin. Das Kabel läuft im Futter und kommt dann hinten im Nackenbereich wieder raus. Kleiden Sie Heinz selbst ein? Absolut. Da bin ich wie Loriot. Ich habe ihn ja einmal kennengelernt, und wir haben festgestellt, dass wir die gleiche Arbeitsweise haben: Wir machen alles selbst. Auch die Plakate gestalte ich. Sie sind ja gelernter Grafiker. Richtig, den Beruf habe ich 1980 an den Nagel gehängt. Zu der Zeit entstand auch die Figur Heinz Becker. Es war der richtige Zeitpunkt. Mir war von Anfang an klar, dass er Mundart sprechen muss. Da ich nur das Saarländerische beherrsche und hier hineingeboren bin, spricht er saarländisch. Man meint ja immer, Heinz wäre Saarländer, ist er aber nicht. Ich könnte jetzt auch bayerisch reden und wäre deshalb kein Bayer. Was ist er dann? Heinz ist vor allem Mensch. Soll heißen, Sie halten jedem von uns den Spiegel vor? Natürlich. Uns allen! Auch mir selbst. Alles andere wäre arrogant. Bei politischen Aspekten, die ich kabarettistisch überspitze, unterscheide ich mich natürlich in eklatanter Weise von Heinz. Aber ich erkenne mich beispielsweise immer dann wieder, wenn es ans Alltägliche geht. Das ist ja auch oft liebenswert. Es kann mir doch beispielsweise kein Mensch erzählen, dass es ihm egal ist, wenn er einen Kratzer im Auto hat. Der eine guckt mehr drauf, der andere weniger. Ich gucke mit Sicherheit mehr. Und Heinz auch. Wie kommen Sie eigentlich auf die Themen, die Heinz bewegen? Das Meiste ist erfunden. Kurioserweise schnappe ich die schlimmsten Sachen aber tatsächlich draußen auf. Als ich mal in Leipzig in einer Bar saß, sagte eine Frau am Nachbartisch: „Also, ich hab’ ja nichts gegen Ausländer, aber die vermehren sich hier wie die Karnickel, und irgendwann regieren sie uns.“ Das ist Heinz Becker. Und da kommt die Verlogenheit des Publikums. Da wird gemeutert und protestiert. Wie kann man so was denn sagen? Dabei habe ich das draußen aufgeschnappt. Also setzen einige Zuschauer die Aussagen Ihrer Bühnenfigur mit Ihrer persönlichen Meinung gleich? Manche verstehen die Figur nicht. Denken, das ist ernst gemeint, und verlassen auch schon mal den Saal. Für mich ist das ein Kompliment. Wenn Satire falsch verstanden wird, dann sitzt sie richtig. Kabarett muss weh tun. Heinz Becker ist in den letzten Jahren politischer geworden und hat jetzt Aussagen mit Tiefgang. Wenn ich auf der Bühne die Flüchtlingsproblematik, Ausländer oder Weltreligion zur Sprache bringe, sind die Leute mucksmäuschenstill. Sie haben nach dem Terroranschlag in Paris einige Auftritte abgesagt. Würden Sie das wieder tun? Das weiß ich nicht. Und das ist auch gut so. In dem Fall war das eine Bauchentscheidung. Ich fühlte mich einfach nicht wohl. Darüber habe ich auch ein Gedicht geschrieben – mein öffentliches Bekenntnis zu dieser Geschichte. Mit welchem Tenor? Ich habe die Freiheit immer als etwas Selbstverständliches angesehen und plötzlich stehe ich da und habe Angst. Mein Leben wird eingeschränkt. Da habe ich doch als Mensch das Recht zu sagen: Ich habe Angst. Viele wollen sich und uns das Gegenteil vormachen. Auch die Politik. „Wir lassen das nicht zu.“ Aber so einfach ist das nicht. Vielleicht geht das in 50 Jahren. Der Terror rückt jetzt erst in unser Land und in unser Bewusstsein. Irgendwann wird sich keiner mehr nach einer Burka umdrehen. Wir müssen uns umstellen. Das Leben wird sich verändern. Vorverkauf Eintrittskarten gibt es bei den RHEINPFALZ-Servicepunkten und beim RHEINPFALZ-Ticketservice unter der Telefonnummer 0631 37016618 sowie der Internet-Adresse www.rheinpfalz.de/ticket. |mca

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