Speyer Neues Projekt: Erste Hilfe bei Seelennöten leisten

Die Freundin sieht Dämonen und hört Stimmen, der Sohn äußert Selbstmordabsichten. Was tun? Viele Menschen stehen psychischen Erkrankungen und Menschen in Krisen ratlos gegenüber. Mit der Einrichtung von Erste-Hilfe-Kursen für die Seele will das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim Abhilfe schaffen. Projektleiter ist Michael Deuschle, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Organisatorin ist Gesundheitswissenschaftlerin Susanne Ratzka.

Im April 2019 soll die Ausbildung der Kursleiter für Mental Health First Aid (MHFA) beginnen. Die Non-Profit-Einrichtung, die es in mehr als 20 Ländern gibt, soll dank einer Anschubfinanzierung durch die Dietmar-Hopp-Stiftung bundesweit für eine bessere Versorgung von Menschen mit seelischen Problemen sorgen. „Wir machen etwas, was die Psychiatrie verändern wird“, meint Deuschle. Die Grundidee sei, Laien zu vermitteln, wie man Menschen in seelischer Not helfen kann und wann und wo man sich professionelle Unterstützung holen muss, ähnlich wie bei Erste-Hilfe-Kursen für den Körper, die jeder spätestens vor der Führerschein-Prüfung ablegen muss. Nicht jeder, der wegen des Todes eines geliebten Menschen oder einer Trennung tief traurig ist, muss gleich in die Psychiatrie. Doch auch in einer solchen Situation brauchen viele Betroffene Unterstützung. „Wir wollen erreichen, dass die Leute sich trauen, hinter der Krise den Menschen zu sehen“, berichtet Ratzka. Sie sollen direkte praktische Hilfe leisten können und mit dem Wissen über seelische Erkrankungen und die psychiatrischen Versorgungssysteme eventuell weitere Schritte einleiten können. Was ist eine Psychose? Wie äußert sich eine Depression? Welche Symptome deuten auf eine Angststörung hin? Diese Fragen sollen in den Kursen geklärt werden. ALGEE heißt das Vorgehen, das Präventionsforscher Anthony Jorms und die Krankenpflegerin Betty Kitchener in Australien entwickelt haben: „Approach, assess and assist with any crisis“ – Krisen zu erkennen und sich dem Problem zuzuwenden, ist der erste Schritt. Zuhören ohne zu urteilen, ist der zweite Schritt. Denn viele Menschen erteilen zu schnell Ratschläge, weil es schwierig ist, Sorgen und Ängste eines anderen auszuhalten. In Rollenspielen kann man das üben. Angemessen reagieren, heißt die dritte Phase. Als Unterstützung kann es reichen, einfach bei einem Menschen zu bleiben, der sich das Leben nehmen will. Wenn die Krise nicht abklingt, sollte man professionelle Hilfe holen. „Menschen, die die Kurse besucht haben, fühlen sich sicherer“, berichtet Ratzka. Das ist auch die Erkenntnis einer Studie des Karolinska-Instituts in Stockholm aus dem Jahre 2014, die die Daten von 3000 Teilnehmern aus mehreren Ländern ausgewertet hat. „Es gibt bisher nur unzureichende Daten darüber, ob die Kurse das Schicksal seelisch Betroffener positiv beeinflussen können“, ergänzt Deuschle. Das ZI will auch die Einführung der neuartigen Kurse wissenschaftlich begleiten.

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