Speyer Probeliegen im Sarg und grüne Männchen

Eher Androide als echte Menschen: so scheinen die Personen in „Krieg und Frieden XIV“.
Eher Androide als echte Menschen: so scheinen die Personen in »Krieg und Frieden XIV«.

Wie wär’s mit einmal Probeliegen im schlichten Naturholzsarg aus garantiert heimischem Nadelholz? Wer ausprobieren möchte, wie sich diese Vor-Tod-Erfahrung anfühlt, kann sich ab Freitag Abend in der Städtischen Galerie in den dort bereitstehenden Sarg legen, nachdem er zuvor noch schnell letzte Wünsche auf einer bereitstehenden Tafel notiert hat. In Fußgängerzonen hat der gebürtige Westfale Thomas Brenner die Tafel mit dem Satzanfang: „Bevor ich sterbe, möchte ich…“ bereits öfter aufgestellt und am Abend die anonym eingetragenen Wünsche der Passanten abfotografiert. Sarg und Wunschtafel sind Teil des interaktiven Langzeitprojektes „Letzte Inszenierungen“. Ergänzend zeigt Brenner elf großformatige Farbfotos, für die er mit Statisten und allerlei Requisiten bizarre Szenen inszeniert hat: In schwarze Ganzkörperanzüge (Morphsuits) gekleidete und maskierte Gestalten spiegeln in etwas simpler Farbsymbolik die Beziehung von Tod und Leben wider. Während auf einem Bild die (schwarzen) Toten mit den (weißen) Lebenden tanzen, starren auf einem anderen Foto schwarz-vermummte Wesen in einer verschneiten Ebene auf einen Trog im Vordergrund, in dem sich der Umriss eines Menschen abzeichnet. Eine Interpretation möchte der Künstler nicht vorgeben, und auch auf Bildtitel hat Brenner leider verzichtet. Ohne Zweifel grandios fotografiert (mit einer Großbildkamera, an die ein digitales Rückteil montiert wurde) – und mit großem Aufwand und Liebe zum Detail wurden diese Szenen eingerichtet. Nichts wurde digital nachbearbeitet. Die Aussage dieser Inszenierungen bleibt jedoch seltsam steril und ungreifbar. Um Allgemeingültigkeit auszudrücken, setzt der Fotograf gern Masken und uniforme Kleidung bei der Ausstattung seiner Darsteller ein. Mit der Individualität verlieren sie jedoch zugleich ihre Menschlichkeit. Brenner möchte mit seinen Fotoreihen zum Thema „Krieg“ und „Tod“ den Betrachter aufrütteln und Tabus brechen. Das Gefühl der eigenen Endlichkeit treibt den 57-Jährigen um. Die Mittel, die er dafür wählt, sind jedoch denkbar ungeeignet: Seine coolen Protagonisten im Morphsuit scheinen eher Androide als echte Menschen zu sein. Wenn sich auf einem Bild zwei wie geklont wirkende Mannschaften zum rituellen Kampf auf einem leeren nächtlichen Parkplatz treffen, fühlt man als Betrachter eigentlich nichts. Das seltsame „Ganzkörperkondom“ killt jede Empathie. Auch rote Clownsnasen und Nikolausmützen, die in einem anderen Bild zum Einsatz kommen, sind da nicht wirklich hilfreich. Mit sichtlich hohem Aufwand bereitet Brenner seine Bild-Inszenierungen vor: Er findet fantastische Locations, wie eine verlassene Stadtgärtnerei, einen stillgelegten Flugplatz, eine aufgelassene Fabrikhalle. Mit einer Schar motivierter Komparsen, meist aus dem Bekanntenkreis, und einer umfangreichen Ausrüstung bezieht der Fotograf seinen Posten. Zuerst wird die Kamera aufgestellt, danach alles für diese Perspektive eingerichtet. Meist dauert es etwa einen Tag bis eine Szene gestellt und fotografiert ist. Wie so eine Fotosession abläuft, wird in einem Video gezeigt. Dass ein Fototermin wochenlanger Vorbereitung bedarf, erkennt man in der Serie „Krieg und Frieden“: Für verschiedene Motive in der Kaiserslauterer Stadtgärtnerei hat Brenner Weizen ausgesät. Zum Termin der Fotosession zwei Wochen später sprießt das Korn dann in Form einer Armee aus grasgrünen Männchen. Ausstellung Zu sehen in der Städtischen Galerie Speyer im Kulturhof Flachsgasse bis zum 16. Juni. Die Vernissage ist heute um 18 Uhr. Zur Begrüßung spricht Stefanie Seiler, die Einführung hält Günter Minas. Öffnungszeiten sind Donnerstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr. Zur Kult(o)urnacht am 14. Juni gibt es Künstlerführungen durch die Ausstellung.

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