Speyer Steinauer Theatrium beim Kulturbeutel

Detlef Heinichen (links) in „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“.
Detlef Heinichen (links) in »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand«.

„Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war ein Bestseller. Detlef Heinichens Figurentheater zeigt es beim Kulturbeutel.

Herr Heinichen, ist Figurentheater inzwischen nicht etwas aus der Zeit gefallen?
Überhaupt nicht! Im Gegenteil, es entwickelt sich immer weiter, wobei die Anfänge des Kabaretts im Puppenspiel zu finden sind. Die neue Generation der Puppenspieler bringt digitale Medien mit auf die Bühne. Für mich ist Figurentheater dann perfekt, wenn Schauspieler gemeinsam mit den Puppen auf der Bühne stehen.

Sie sind diplomierter Puppenspieler. Wie wird man das?
Bei mir war es so, dass ich als Schüler in meiner Heimatstadt Magdeburg im Werkunterricht Puppen gebastelt habe, die ich dann zum ersten Mal für Erstklässler eingesetzt habe. Zunächst war Figurentheater ein Hobby, dann habe ich in Zwickau am Puppentheater mitgewirkt und schlussendlich an der Berliner Schauspielschule Puppenspiel studiert habe. Das Studienfach gibt es auch an der Stuttgarter Schauspielschule.

Mussten Sie die ehemalige DDR verlassen, um ein eigenes Theater gründen zu können?
Das war nicht der Grund, meiner Heimat den Rücken zu kehren. Seit 1980 hatte ich politische Probleme in der DDR und wurde wegen staatsfeindlicher Äußerungen im Zwickauer Puppentheater fristlos entlassen. In Dresden wurde ich dann von der Stasi in U-Haft genommen. 1986 bin ich in den Westen gegangen und habe in Bremen ein Theater eröffnet.

Inzwischen sind Sie in den Osten zurückgekehrt. Warum?
Na ja, weil da eben mein Zuhause ist. In Hohenstein, da, wo der Kasper herkommt, habe ich wieder ein Theater gegründet. Inzwischen fühle ich mich im hessischen Steinau mit meinem Theatrium ebenso wohl.

Ihr Programm ist von Johnny Cash bis zum Hundertjährigen vielfältig, reichhaltig und prächtig ausgestattet. Wie finden Sie Ihre Stücke?
Ich überlege mir immer etwas Neues. Alles, was mir gefällt, schafft es aber nicht auf die Bühne. Beim Hundertjährigen war es so. Wichtig ist die Musik, was heißt, gute Musiker runden jedes Programm ab. Keiner vermutet, welche Bandbreite Puppenspiel hat. Das hat für mich einen ganz besonderen Reiz.

Arbeiten Sie alleine?
Meistens im Team. Das konnte ich mir aus den Corona-Beihilfen zusammenstellen. Alleine wird man schnell betriebsblind. Das möchte ich vermeiden.

Jetzt bringen Sie den Hundertjährigen in den Kulturbeutel. Was hat Sie am Buch des schwedischen Autors Jonas Jonasson fasziniert?
Über sein Buch habe ich den Autor entdeckt und mich ihm und dem Hundertjährigen fortan nicht mehr entziehen. Genau mein Humor, kann ich nur sagen! Am schwierigsten war es, die Bühnenfassung zu schreiben. Was lässt man weg, was bleibt? Aber es hat großen Spaß gemacht, große Fische wie Stalin und andere Politiker des 20. Jahrhunderts beim Angeln aus dem Wasser zu ziehen.

Wie lange dauert es, bis ein solches Stück die Puppenbühne erobert?
Von der Idee bis zur Fertigstellung haben wir ein rundes Jahr gebraucht.

Sind Ihre Puppen mitsamt Kostümen und Kulissen selbst hergestellt?
Alle. Grundsätzlich bauen wir für jede Inszenierung neue Puppen in unserer Steinauer Werkstatt. Glücklicherweise ist meine Ehefrau Kostümbildnerin. Sie macht die Entwürfe und näht die Kostüme.

Was können Kulturbeutel-Besucher erwarten, wenn sich der Vorhang für den Hundertjährigen öffnet?
Es wird sicher ein heiter besinnlicher Abend mit etwas Tiefgang. Ich bezeichne das Stück als intelligente Komödie, in der skurrile Gestalten und auch ein Elefant auftauchen. Sämtliche Figuren verfügen über kriminelle Energie, sind Lebenskünstler.

Worauf freuen Sie sich in Speyer?
Auf die Stadt und das Kinder- und Jugendtheater, in dem ich zum ersten Mal spiele. Rund um Speyer war ich schon überall mit dem Theatrium, aber noch nie in der alten Stadt am Rhein. Ich hoffe auf ein aufgewecktes Publikum und wünsche uns toi toi toi für die Speyerer Premiere.

Hat Figurentheater in der heutigen medialen Welt Zukunft?
Ich denke, dass es Journalisten mit künstlicher Intelligenz schwerer haben als Puppenspieler. Grundsätzlich freue ich mich auf neue Entwicklungen, hoffe aber, dass die Menschheit zurückfindet zu den Ursprüngen des Theaters. Und dass Kultur mehr Förderung erhält als aktuell.

Zur Person

Detlef Heinichen ist vor 70 Jahren in Magdeburg zur Welt gekommen. Heute lebt und arbeitet er in seinem von ihm vor sieben Jahren übernommenen Theatrium im hessischen Steinau. Der Diplom-Puppenspieler ist verheiratet, Vater von zwei erwachsenen Kindern und Großvater dreier Enkel.

Termin

Sonntag, 6. Oktober, 20 Uhr Figurentheater „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand, Alter Stadtsaal, Rathaushof Speyer. Karten gibt es unter www.reservix.de, in der Tourist-Info und an allen Reservix-Vorverkaufsstellen.

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