Zweibrücken Das Tablettchen vor dem Marathon
Es gibt nicht viele Zahlen zum Thema Doping im Breitensport, aber die, die es gibt, sind erschreckend: Von 1000 Teilnehmern des Bonn-Marathons 2009 haben mehr als zwei Drittel vor dem Start Schmerzmittel genommen. Wie sieht es tatsächlich aus, und wie gehen die Sportler in der Pfalz mit leistungssteigernden Mitteln um? In diese und andere Themenbereiche soll eine Online-Befragung Licht bringen, die derzeit läuft und bei der eine Kaiserslautererin involviert ist: Monika Frenger.
Das Multisporttalent arbeitet an der Universität des Saarlandes, im Arbeitsbereich Sportökonomie/-soziologie, der den Bogen unter Leitung von Professor Eike Emrich erarbeitet hat. Der Kooperationspartner Sportbund Pfalz verteilt den Link zur Befragung im Moment an seine Vereine, schickt Infos dazu über seine Verteiler. Der Aufruf, sich zu beteiligen, ging unter anderem per Newsletter an 8000 potenzielle Teilnehmer. Mit dem Ziel, so viele Menschen wie möglich zu erreichen und ein möglichst breites Bild zu bekommen, das zeigt, wie es die Breitensportler mit Medikamenten und Mittelchen handhaben. „Es wird viel bezüglich Doping geforscht, Leistungssportler wurden befragt“, sagt Frenger. Doch im Breitensport sei vieles unerforscht. „Als Hobbysportler unterliegst du ja keinem Doping-Reglement gemäß Wada-Code.“ Dann sei auch das mit der Begrifflichkeit schwierig. „Ist Doping gleichzusetzen mit Medikamenteneinsatz, -Missbrauch, illegalen Substanzen, die auch auf der Liste stehen?“ Im Fitnessstudio- und Body-buildingbereich sei da schon einiges untersucht worden, auch mal bei Läufen, wie 2009 besagte Studie beim Bonn-Marathon, bei der 61,5 Prozent der Sportler zugaben, vorher Schmerzmittel genommen zu haben, und elf Prozent angaben, sie hätten tatsächlich vorher Schmerzen gehabt. Frenger: „Bisher sind immer nur eingegrenzte Segmente betrachtet worden. Wir wollten wissen, wie ist es im Breitensport, das heißt wirklich in der Breite. Ist Doping ein Phänomen der Sportart oder der Wettkämpfer, oder werden Medikamente einfach zu allen Anlässen genommen?“ Das Thema interessiert auch den Sportbund, der sich fragt, wie verbreitet das Thema in der Bevölkerung ist, ob überhaupt Diskussionsbedarf besteht oder ob es sich um eine konstruierte Krise handelt. Zusammen mit ihren Kollegen hat die Kaiserslautererin schließlich den Fragebogen erarbeitet. Der Infos geben soll über den Gebrauch von Medikamenten und Substanzen, zum Leistungsniveau der Wettkämpfe, die die Befragten bestreiten oder bestritten haben, zur Intention, ob sie etwas tun, um die Leistung beim Wettkampf zu steigern oder um sich beim Training wohler zu fühlen. Der Bogen soll auch zeigen, wie schnell Breitensportler zu Medikamenten greifen. Was Frenger besonders betont, dass durch eine spezielle Art der Befragung die Anonymität gewährleistet ist. „Es kann niemand reidentifiziert werden“, versichert sie, erzählt von der Methode mit Zufallszahl, die bei den Ausfüllern auswählt, ob eine gesteuerte Ja/Nein-Antwort gegeben wird oder ehrlich geantwortet werden soll, was eine Verschlüsselung einbaut. Die Technik wurde für die Befragung sensibler Themen wie beispielsweise im Bereich Steuerbetrug erarbeitet, sagt sie und ist selbst begeistert: „Das ist total spannend, und es funktioniert. Wir arbeiten zur Weiterentwicklung und Evaluation der Befragungstechnik an einem Buch, welches für den Forschungsprozess wichtig ist, vermutlich eher von wenigen gelesen wird“, berichtet sie mit einem Augenzwinkern. Und erklärt, dass sich mit Hilfe der Methode rausrechnen lässt, wie viele Menschen bewusst falsch antworten und eben auch die Prävalenz. Ein halbes Jahr hat sie das Thema jetzt beschäftigt, zusammen mit einem Kollegen hat sie die Untersuchung programmiert, sich genau überlegt, welche Frage an welcher Stelle platziert wird, welche Skala bei den Einteilungsfragen am sinnvollsten ist. Seit 10. März ist die Befragung online, bis Ende April werden die Daten gesammelt. Etwas Rücklauf ist schon da. Frenger hofft aber auf noch mehr Rückmeldungen. Und eine Antwort auf Fragen wie: Wer nimmt wann was und warum? „Nehme ich Schmerzmittel zur Leistungssteigerung oder zur Herstellung von Chancengleichheit, weil ich Kopfweh habe? Herrscht vielleicht ein Irrglaube darüber, wie die Mittel wirken? Dann könnte Aufklärung helfen“, sagt sie und erinnert an die Nebenwirkungen, die jedes Medikament mit sich bringe. Und sie hat noch eine Hoffnung: dass der Fragebogen dazu anregt, über das Thema nachzudenken. Zehn Minuten dauert das Ausfüllen, und jeder Bogen hilft ihr ein Stück weiter.