Zweibrücken „Hört doch auf mit dem Streit“
„Hört doch auf mit dem Streit“ singen die „weisen Kinder“ zum Ende des ersten Aktes. Als Erwachsener fühlt man sich wieder ertappt und beschämt von den Kindern, die am Sonntag unter der Leitung von Maurice Croissant und Volker Christ im Rahmen des Festivals Euroclassic das Kinder-Musical „Der Blaue Planet“ mit einer begeisternden Darbietung in der Pirmasenser Festhalle aufgeführt haben.
Die Ehre ist ganz und gar auf beiden Seiten: Bezirkskantor Maurice Croissant und Volker Christ dürfen es als fundamentale Anerkennung ihrer Arbeit mit Kindern auffassen, dass „Der Blaue Planet“ nun schon die dritte Produktion war, die beim Festivals Euroclassic aufgeführt wurde. Andersherum gereicht es aber auch dem Festival Euroclassic zur Ehre, auf die künstlerisch, inhaltlich und pädagogisch substanzielle Arbeit „heimischer“ Kräfte zurückgreifen zu können. Die Facette „Musik von Kindern“ fehlte sonst im Euroclassic-Programm, und das wäre geradezu ein Mangel des ambitionierten Festivals. Ein Glücksfall ist auch, dass sich Croissant und Christ nicht nur als Musiker angefreundet haben. Das Zusammenwirken der beiden – Croissant hatte die Gesamtleitung, Christ probte mit seinen Chören und leitete das Orchester – ist so beispielhaft wie ermutigend. Über 80 Kinder, die Mitwirkenden im Orchester, bei Technik und Requisite und der Produktion der Videos für die Kulissen noch gar nicht mitgerechnet, waren die bewundernswerten Protagonisten von „Der blaue Planet – Ein Musical in zwei Akten“, das der Komponist Peter Schindler und die Texterin Babette Dieterich als Auftragsarbeit zur Landesgartenschau Landau geschaffen haben. Zusammengewirkt haben in Pirmasens und einen Tag vorher in Bad Bergzabern die Kinderkantoreien Pirmasens und Bad Bergzabern, die Klassen 6a und 6c des Immanuel-Kant-Gymnasiums Pirmasens und das Musical-Orchester mit Musikern aus der Region. Der Stoff des Musicals ist nur oberflächlich betrachtet naiv oder gar einfach. Die vier Elemente der klassischen Griechen (Erde, Feuer, Wasser, Luft) streiten sich, bis die Welt in einer globalen Apokalypse untergeht. Die „weisen Kinder“, man mag sie sich als Engel, zumindest aber als übernatürliche Wesen vorstellen – heilen die Welt, die wiederauferstehen darf. Aber ganz nach Karl Marx und seiner Bemerkung im 18. Brumaire des Louis Bonaparte („Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“) wiederholt sich im zweiten Akt von „Der blaue Planet“ das Drama von Streit und totaler Verwüstung. Dieses Mal aber zwischen den Präsidenten des Ostens, Südens, Westens und Nordens und in der heutigen Zeit. Wieder sind es die „weisen Kinder“, die eine Wiederauferstehung nach dem Weltuntergang ermöglichen. In der Harmonie des Schöpfers freilich, aber auch säkularen Geistern immer zugänglich. Es nötigt einem schon gehörig Bewunderung ab, wie souverän die Kinder – das jüngste war gerade mal fünf Jahre alt, die ältesten 13, vielleicht 14 – diesen Stoff bewältigen. Die Naivität ist kindlich, die Botschaft aber alles andere als Kinderkram. Peter Schindler mag eingängig komponieren, einfach ist seine Musik aber noch lange nicht. Melodien und Rhythmus singt man auch als Erwachsener nicht „eben mal so“; die manchmal geradezu querständigen Rezitative, in denen viel Text auf wenig Schläge untergebracht werden muss, sind nichts für Feiglinge. Zumal Peter Schindler darüber hinaus einen fröhlichen aber schlüssigen Eklektizismus pflegt: Ahnungen von Mussorgski und John Miles, Pop und Weltmusik kommen in seiner Musik zusammen. Daher ganz ohne gönnerhaften „Kinderbonus“: Großartige Musikanten, die einen schweren Stoff so gut gestaltet haben, wie das nur geht. Man darf auch als Zuhörer stolz sein.