Zweibrücken Warum es hier hinter Gittern Frauen-WGs und eine Fahrschule gibt

 Fahrlehrer Daniel Riegel in einem Unterrichtsraum hinter Gefängnismauern.
Fahrlehrer Daniel Riegel in einem Unterrichtsraum hinter Gefängnismauern.

Als 1988 im Zweibrücker Gefängnis zwei Haftgebäude für Frauen den Dienst aufnahmen, wurde auch die Möglichkeit für Gefangene geschaffen, in Haft zur Fahrschule zu gehen.

„Jetzt dürfen die im Gefängnis auch noch den Führerschein machen“: Unverständnis machte sich breit und solche Sprüche kursierten, als die Initiative vor 35 Jahren in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Zweibrücken ins Leben gerufen wurde. Am 28. Dezember 1988 hatte die Stadt Zweibrücken dem seinerzeit an der JVA gegründeten Verein für Verkehrserziehung die Genehmigung erteilt, als Fahrschule Häftlinge auf die reguläre Prüfung für den Auto-Führerschein vorzubereiten.

„Seither hat der Verein mehr als 900 Gefangenen die Möglichkeit gegeben, während ihrer Haftzeit den Führerschein zu machen“, erläutert Gabriele Graf, die Vorsitzende des Vereins für Verkehrserziehung. Gut 300 Fahrschüler hätten ihre Prüfung bestanden. „Wer wie wir in einer ländlichen Region wohnt, ist ohne Führerschein nur ein halber Mensch“, sieht Graf den Erwerb der Fahrerlaubnis als wichtigen Baustein für eine gelungene Eingliederung in die Gesellschaft. Um zur Arbeit zu gelangen und persönliche Kontakte zu halten, sei man auf das Auto eben angewiesen.

Im Fahrschulauto durch das Gefängnistor

Gabriele Graf zitiert den Gründungsvorsitzenden Karl Schüler. „Er hat 1988 gesagt, dass der Führerscheinerwerb das Verantwortungs- und Selbstbewusstsein schult, aber auch ein finanzielles Opfer verlangt.“ Schließlich müsse ein Gefangener etwa 600 Euro auftreiben, um seine Ausbildung zu bezahlen.

Diese findet an der JVA Zweibrücken statt. Nur wer sich schon gewisse Lockerungen beim Strafvollzug verdient hat, darf mit dem Fahrlehrer Daniel Riegel unter strengen Sicherheitsmaßnahmen das Gefängnistor passieren, um sich am Lenkrad „draußen“ in den Straßenverkehr einzureihen.

Jedes Jahr werden zwei Führerschein-Kurslehrgänge mit je 14 männlichen wie weiblichen Teilnehmern angeboten; mehr gibt die Kapazität nicht her. Inhaftierte aus anderen rheinland-pfälzischen Anstalten und aus dem Saarland können zu diesem Zweck ihre Verlegung nach Zweibrücken beantragen. Vorausgesetzt, sie haben ihre Eignung zur Unterbringung im offenen Vollzug vorzuweisen.

„Wir sind stolz darauf, dass wir in Zweibrücken bundesweit die erste und einzige JVA sind, die selbst die Führerscheinausbildung anbietet“, sagt Gabriele Graf. Inzwischen organisiert ihr Verein auch ergänzende Sehtests, Erste-Hilfe- und Pannenkurse sowie Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) zur Wiedererlangung von entzogenen Führerscheinen.

Zwei Frauen-Haftgebäude seit 1988

Ohnehin hat sich 1988 in der Zweibrücker Vollzugsanstalt eine Menge Neues ereignet. Im selben Jahr, in dem dort der Verein für Verkehrserziehung seine Arbeit aufnahm, wurden hier zwei Neubauten speziell für den Frauen-Strafvollzug in Dienst gestellt – anfangs für 98 weibliche Gefangene, einige davon gemeinschaftlich in Wohngruppen untergebracht. Heute ist mehr als jeder zweite der insgesamt 200 rheinland-pfälzischen Frauen-Haftplätze des geschlossenen Vollzugs in der JVA Zweibrücken angesiedelt. Voriges Jahr wurde hier das erste der beiden sogenannten Hafthäuser modernisiert. Zurzeit wird mit der Sanierung des zweiten begonnen. Die gemeinsame Unterbringung einiger Frauen in Wohngruppen, sagt Anstaltsleiter Jürgen Buchholz, führe die Insassinnen an Alltagssituationen heran, wie sie im Leben in Freiheit ganz normal sind. „Dabei lernt man, Verantwortung zu übernehmen und gegenseitig aufeinander Rücksicht zu nehmen.“

In der JVA können sich die weiblichen Gefangenen über Schwangerschaft und gesunde Ernährung beraten lassen. Es gibt Schulungen in Elternkompetenz und sogar Bastelnachmittage, zu denen Mütter Besuch von ihren Kindern bekommen. Zudem ist an der Zweibrücker Haftanstalt der Bau einer Mutter-Kind-Einrichtung geplant.

Lohn solcher Mühen, sagt Buchholz, sei eine überdurchschnittliche Erfolgsquote: 60 Prozent der Frauen, die in Zweibrücken eingesessen haben, seien später in Freiheit nie mehr rückfällig geworden.

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