Von 19. Oktober bis 12. Januar Kulturgeschichte: “Die Erfindung des Fremden in der Kunst„ in Heidelberg
Am Bild des „Fremden“ hat die Kunst schon immer maßgeblich mitgewirkt. Sie gibt Fantasien vom Wesen des „Anderen“ Raum, ist dabei stets geleitet von ambivalenten Interessen gegenüber ferneren Kulturen. Mit über 80 Werken beleuchtet die Ausstellung diese Konstruktion von „Fremdheit“ in der europäischen Kunst.
Der Bogen reicht vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart, worin das Wesen des „Anderen“ immer wieder neu verhandelt wird, zwischen Romantisierung und Dämonisierung, je nach zeitgeistiger Stimmungslage. Darunter ist Hochkarätiges, Werke von Dürer, Rembrandt, Jean-Étienne Liotard, Jean-Auguste-Dominique Ingres, Ernst Ludwig Kirchner. Vertreten sind auch zeitgenössische Größen wie Gülsün Karamustafa, Lisl Ponger und Yinka Shonibare.
Wie blickt Europa um 1500 etwa auf das neuentdeckte Amerika und die dortigen Menschen und Kulturen? Wie viel Fiktion steckt in den Darstellungen des Orients, der muslimischen Welt? Welche Rolle spielt die außereuropäische Kunst für die Expressionisten – und welche Bedeutung hat Hautfarbe in der Kunst?
Es zeigt sich: Die Wahrnehmung des Fremden war in der Kunst nie neutral. Idealisierungen, Interessen und Erwartungen geben oft mehr preis vom jeweiligen Künstler und seiner kulturellen Verortung als vom Gegenüber. Das Bild des „Anderen“ erweist sich als Fiktion, die aber oft als Dokumentation gelesen wird, gesehen in Zügen kultureller Unterwerfung und Aneignung. Das kommt in Erinnerung, wenn es gegenwärtig etwa um Rückerstattung von Raubkunst aus Kolonialzeiten an die Länder ihrer Herkunft geht.
Die europäischen Erkundungsfahrten nach Afrika, Asien und Amerika markieren um 1500 den Beginn des kolonialen Zeitalters. Mit den Konquistadoren und denen, die ihnen folgen, kolonisiert auch die Kunst die Neue Welt. Sie bedient die Sensationslust zuhause mit Übertreibungen und Hinzuerfindungen. Der abschätzige Blick auf den „Wilden“ legitimiert letztlich den vermeintlich höheren Rang eigener Zivilisiertheit und schafft damit eine Blaupause für die Bildwelten des Imperialismus.
Auch das Bild des Orients folgt nicht selten gesellschaftlichen Bedürfnissen, ist mal bedrohlich in Zeiten des Krieges, mal Faszination, etwa im 18. Jahrhundert als Bildgeber oder gar Sehnsuchtsort für die Realitätsflucht der Oberschicht. Die Jahrhundertwende spült neue Bildwelten aus überseeischen Ländern nach Europa, der Japonismus blüht auf, die Kunst Afrikas wird sichtbar. Impressionisten wie Gauguin entdecken den exotischen Reiz der Südsee. Später greifen die Expressionisten die exotische Kunst als Inspirationsquelle und Vermittlerin neuer Ursprünglichkeit auf. Der Begriff des „Primitiven“, mit dem man sich darauf bezieht, offenbart jedoch die kolonialrassistischen Züge der Zeit.
In vier Kapiteln will die Ausstellung zeigen, wie die europäische Kunst das fremde Gegenüber „erfand“. Sie widmet sich den Expeditionsfahrten der Frühen Neuzeit, Europas bewegten Beziehungen mit dem Orient und dem Verhältnis zwischen Moderne und außereuropäischer Kunst. Den Abschluss bildet der thematisch übergreifende Aspekt des „weißen Blicks“. „Historische und zeitgenössische Werke treten dabei in einen kritischen Dialog, in dem etablierte Kunstnarrative hinterfragt werden“, heißt es im Vorbericht des Museums.
»Die Erfindung des Fremden in der Kunst« – Kurpfälzisches Museum Heidelberg, Hauptstraße 97; 19.10.-12.1.2025; Vernissage: Fr 18.10., 19 Uhr; geöffnet: Di-So 10-18 Uhr, Info: www.museum.heidelberg.de