Mundart-Festival „Babbel doch!“ Pfälzisch ist wieder angesagt

Was für die Augen und Ohren: Festival-Initiator Monji El Beji weiß, wie man Stimmung macht.
Was für die Augen und Ohren: Festival-Initiator Monji El Beji weiß, wie man Stimmung macht.

Ein ganzes Wochenende Musik und Kultur auf Pfälzisch – beim Mundart-Festival „Babbel doch!“ in Fußgönheim war es zu erleben. Stellt sich die Frage: Ist die Premiere etwa der Anlass zur Herausbildung eines neuen Heimat-Begriffs?

Mundart ist ein Stück Identität“, sagt Tim Johannsen. Der 27-Jährige hat mit seiner Mundart-Band „Mr. Pälzer Schorle“ am Wochenende auf dem „Babbel doch!“-Festival in Fußgönheim gespielt. Am Pfälzischen findet er so besonders, dass es so direkt ist. Man verstehe gleich, was der andere meint. Johannsen gehört noch zu den jüngeren Künstlern des Festivals: Fine R.I.P. wurde gegründet, als er zwei Jahre alt war, die Anonyme Giddarischde sind sogar noch zwei Jahre älter als er.

Mundart-Musik ist keine neue Erfindung, aber sie hat in den vergangenen Jahren vermehrt Zulauf bekommen, wenn man den Einschätzungen der Musiker glaubt. Das sieht auch eines der Urgesteine der Pfälzer Musikszene so: Thomas „Edsel“ Merz, Sänger der Anonyme Giddarischde, bemerkt einen „wachsenden Zulauf“ bei Musik auf Pfälzisch – gerade bei jüngeren Menschen. „Auch die Akteure, die sich hier zusammenfinden, sind von einer Präsenz und einer Intensivität wie man sie vor ein paar Jahren so noch nicht erlebt hat“, so Merz. Seit einiger Zeit wird das „Pfalzlied“ der Anonyme Giddarischde vor jedem Heimspiel des 1. FC Kaiserslautern gespielt; zum DFB-Pokalfinale reisten die Musiker sogar nach Berlin, um auf der Fanmeile zu spielen – und jetzt nach Fußgönheim zum „Babbel doch!“-Festival.

Fine R.I.P. feiert Jubiläum

Ins Leben gerufen wurde das Festival von der Pfalzrock-Band Fine R.I.P., die am Samstag ihren 25. Geburtstag feierte. Auch deren Sänger Monji El Beji merkt, dass Mundart in jüngster Zeit immer beliebter wird. Da sagte er bereits im RHEINPFALZ-Gespräch Wochen vor der Veranstaltung. Das sei auch einer der Gründe gewesen, gleich ein ganzes Festival ins Leben zu rufen. Zwar schlummere die Idee schon lange in seinem Kopf, aber nun sei die Zeit reif gewesen. Am Sonntag schien er glücklich über den Erfolg. Mehr als 2000 Gäste waren über die drei Tage gekommen – ungefähr doppelt so viele wie er angenommen hatte. In den nächsten Jahren plane er, „Babbel doch!“ auch für andere Mundarten zu öffnen und so einen Ort für Gleichgesinnte in ganz Deutschland zu schaffen.

In diesem Jahr blieb das Festival erst einmal Pfälzisch – mit allem, was dazugehört: Es gab nicht nur Pfälzer Musik, sondern auch Schorle und Saumagen. Sogar ein Dubbeglas-Maskottchen lief über das Gelände. Das Festival war vielleicht ein bisschen wie ein Weinfest, aber reduziert auf all das, was nötig ist, um die Pfälzer Kultur von ihrer kreativsten Seite darzustellen.

Mundart in allen Darreichungsformen

Dazu gehören auch die Auftritte von Comedian Chako Habekost oder des Boulevardtheaters Deidesheim mit etwa Boris Stijelja und Tim Poschmann, der in der Pandemie als „Winzer-Bu“ im pfälzischen Teil des Internets bekannt geworden ist. Aber auch die althergebrachten Mundart-Wettbewerbe wurden in würdiger Weise einbezogen, indem mehrere Sieger des Mundart-Wettbewerbs Dannstadter Höhe und des Pfälzischen Mundartdichterwettstreits in Bockenheim ihre lyrischen Werke gelesen haben. Ute Zimmermann, selbst auch Jury-Mitglied in Bockenheim, las zudem aus ihren monatlichen Mundart-Kolumnen in der Ludwigshafener Ausgabe der RHEINPFALZ, die sie seit 2007 schreibt.

RHEINPFALZ-am-SONNTAG-Cartoonist Steffen Boiselle zeichnete die Gäste an seinem Stand und verkaufte dazu Karten, Aufkleber und Bücher auf Pfälzisch, Krimi-Autor Harald Schneider las zusammen mit ihm aus seinen Büchern. Die Mundart kam in allen Darreichungsformen daher: Neben Musik, Theater, Literatur kam auch das Medium Film vor, denn Regisseur Benjamin Wagener stellte seinen Dokumentarfilm „Hiwwe wie driwwe 2“ vor, der von den Pfälzer Auswanderern und ihrer Kultur in Amerika handelt.

Was ist Pfälzisch?

Im Grunde gab es Mundart ja schon immer in allen Ausprägungen, doch was sich in den letzten Jahren geändert hat, ist die Rezeption. Für junge Menschen ist Pfälzer sein nicht mehr nur ein mit „Weck, Worschd und Woi“ gepaarter Heimatbegriff wie man ihn noch aus den Liedern von Kurt Dehn kennt. Es geht mehr um das Gefühl, Pfälzer zu sein. Aus der Weinseligkeit des vergangenen Jahrhunderts haben die „neuen Pfälzer“ destilliert, dass zum Pfälzer sein eine offene Einstellung gehört. Das zeigt zum Beispiel „Edsel“, der im RHEINPFALZ-Interview gesagt hat: „Pfälzer ist jeder, der sich als Pfälzer fühlt.“ Oder Steffen Boiselle, der seine Cartoon-Figur in der jüngsten Ausgabe der RHEINPFALZ am SONNTAG sagen lässt „Warumme soll isch Fremde hasse? Isch kenn die doch gar nedd.“

In einem unserer Instagram-Beiträge zum Festival haben wir unsere Leserinnen und Leser gefragt, wie viel Pfälzisch sie noch in deren Alltag sprechen. Die Antworten zeigen, dass Pfälzisch nicht die Sprache ist, die Opa und Oma einst gesprochen haben, sondern dass es noch relevant ist: „Immer“, schreiben gleich mehrere Menschen, „Ausschließlich“, schreibt ein anderer, aber auch „85 Prozent“ gab ein Leser an. Auf dem Festival selbst hat man bis auf wenige Ausnahmen fast kein Hochdeutsch gehört.

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Hast du die Pfalz im Blut?

Liebst du die Pfalz genauso wie wir? Gehst du gerne auf Weinfeste? Kennst du dieses Pfalzgefühl, das sich nicht beschreiben lässt, weil man es einfach erleben muss? Hier gibt es Artikel für alle Pfälzer, die die Pfalz im Herzen tragen. Für alle, die wissen, wo Hettrum, Hääschde und Harschem liegen. Und für alle, die warme Sommerabende am liebsten mit ihren Freunden und Dubbeglas in der Hand verbringen.

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