Mainz/Koblenz Streit um Finanzausgleich: „Der wichtigste Tag für die Kommunen“

Lars Brocker (links) ist der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Lars Brocker (links) ist der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern haben geklagt: Sie wollen mehr Geld vom Land. Am Mittwoch entscheidet der Verfassungsgerichtshof in Koblenz über die Forderung der beiden Kommunen. Auf dem Prüfstand des obersten Gerichts in Rheinland-Pfalz steht aber mehr: das komplexe System des Kommunalen Finanzausgleichs.

Zum zweiten Mal in acht Jahren entscheidet der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz über eine Klage zum Kommunalen Finanzausgleich (KFA). Im Jahr 2012 hatte sich der Landkreis Neuwied erfolgreich gegen die damalige Fassung des Landesfinanzausgleichsgesetzes gewehrt. Danach änderte die Landesregierung das Gesetz – und sah sich daraufhin mit einer weiteren Klage konfrontiert, eingereicht von der notorisch klammen Stadt Pirmasens und dem Landkreis Kaiserslautern. An diesem Mittwoch wird die Entscheidung des Koblenzer Gerichts erwartet.

„Letzte Chance“ für die Kommunen?

Im Dialog zwischen Land und Kommunen habe es nie substanzielle Fortschritte gegeben, kritisiert der Geschäftsführende Direktor des Städtetags Rheinland-Pfalz, Michael Mätzig. Daher sei der Mittwoch „für die Kommunen in finanzieller Hinsicht der wichtigste Tag in dieser Legislaturperiode“. Die Entscheidung der Verfassungsrichter sähen die Kommunen als letzte Chance, dass sie endlich wieder genug Geld bekommen, um etwa in Straßen, Schulen und Schwimmbäder zu investieren.

Nach dem Urteil von 2012 habe das Land den Kommunen „de facto“ ab 2014 nur 50 Millionen Euro mehr zugewiesen, kritisiert der Städtetag – „gemessen an den hohen Defiziten der Kommunen ein Kleckerbetrag“. Der Städtetag sei der Auffassung, dass das Land die damaligen Vorgaben des Gerichts missachtet hat „und der kommunale Finanzausgleich seit nunmehr 13 Jahren verfassungswidrig ist“, sagt Mätzig.

„Land muss spürbaren Beitrag leisten“

Auch die beiden Pfälzer Kommunen führen bei ihrer Klage das Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom Februar 2012 an. Damals hatte das Gericht betont: „Das Land hat einen spürbaren Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise zu leisten.“ Das zunächst zuständige Verwaltungsgericht in Neustadt legte die Klagen dann dem Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vor. Es vertrat dabei die Auffassung, der Gesetzgeber – also der Landtag – habe bei der Änderung des Gesetzes 2014 sowohl verfahrensrechtliche Anforderungen als auch die Garantie verletzt, für eine angemessene Finanzausstattung zu sorgen.

Allerdings geht es in dem Rechtsstreit nicht um die aktuelle Gesetzeslage, sondern um die Anfang 2014 in Kraft getretene Neuregelung des Landesfinanzausgleichsgesetzes und die darauf beruhenden Ansätze im Landeshaushalt 2014/15. Seitdem habe sich der Finanzausgleich verglichen mit dem Landeshaushalt „deutlich überproportional entwickelt“, erklärt das für die Kommunen zuständige Innenministerium – von zwei Milliarden Euro auf nahezu 3,3 Milliarden in diesem Jahr.

Pro Einwohner Kassendefizit von 179 Euro in Pirmasens

Das Ministerium weist auch auf den positiven Saldo im Haushalt der Kommunen in den vergangenen drei Jahren hin – im vergangenen Jahr waren es 263 Millionen, davor jeweils mehr als 400 Millionen Euro. In der Gesamtbetrachtung verbergen sich aber auch hohe Defizite insbesondere in einigen Städten. Im vergangenen Jahr gab es pro Kopf der Bevölkerung in Pirmasens ein Kassendefizit von 179 Euro, in Mainz waren es 100, in Ludwigshafen 70 Euro.

Nach einer Aufstellung des Landesrechnungshofs im kürzlich vorgestellten Kommunalbericht 2020 zahlte das Land den Kommunen im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2018 je Einwohner jährlich 1121 Euro – das sind drei Prozent weniger als im Durchschnitt der anderen Flächenländer in Deutschland.

Zuweisungen überwiegend zweckgebunden

Bei den Einnahmen vom Land gibt es aber einen deutlichen Unterschied zwischen zwei Posten, der ein wesentlicher Grund für den Zwist zwischen Land und Kommunen ist. An allgemeinen Zuweisungen, bei deren Verwendung die Kommunen freie Hand haben, erhalten Städte, Gemeinden und Kreise 486 Euro je Einwohner – 20,7 Prozent weniger als im Schnitt der übrigen Flächenländer in Deutschland. An Zweckzuweisungen – bestimmt etwa für Schulen, Sozialausgaben und Gesundheit – aber erhalten die Kommunen 635 Euro je Einwohner, und das sind 17 Prozent mehr als im Schnitt der übrigen Länder. „Die Zuweisungen vom Land sind insgesamt schon nicht schlecht“, fasst der Präsident des Landesrechnungshofs, Jörg Berres, die Zahlen auf Anfrage zusammen. „Aber die Zuweisungen sind überwiegend für festgelegte Aufgaben bestimmt.“

Für strukturelle Änderungen im KFA spricht sich der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christof Reichert, aus. Die Kommunen benötigten kein Geld zur Förderung eines „fünften Dorfbrunnens“, sondern Mittel für ihre eigenen Schwerpunkte. „Sie können am besten entscheiden, wo sie das Geld einsetzen.“ Das Ungleichgewicht von allgemeinen Finanzzuweisungen und Zweckzuweisungen müsse behoben werden. „Den Kommunen fehlen in der Summe rund 300 Millionen im Kommunalen Finanzausgleich, das wollen wir Zug um Zug ausgleichen“, verspricht Reichert.

Die KFA-Mittel stammen aus dem Landesanteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer, den Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und anderen Landesmitteln. Bei der Verteilung wird die Steuerkraft ebenso berücksichtigt wie der von der Einwohnerzahl abhängige Finanzbedarf. Ziel ist ein Schlüssel für eine möglichst gerechte Verteilung.

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