Meinung Österreich: Kickl ergeht es wie Höcke in Thüringen

FPÖ-Chef Herbert Kickl will Bundeskanzler werden. Doch niemand will ihm zur nötigen Mehrheit verhelfen.
FPÖ-Chef Herbert Kickl will Bundeskanzler werden. Doch niemand will ihm zur nötigen Mehrheit verhelfen.

Österreichs Parteienlandschaft hat sich radikal verändert: Erstmals wurde die rechtspopulistische FPÖ stärkste Kraft. Doch für Parteichef Kickl könnte der Triumph ein Pyrrhussieg sein, denn niemand will mit ihm koalieren.

Pünktlich zur Nationalratswahl lieferte die FPÖ einen weiteren triftigen Grund, warum sie von politischen Gegnern als rechtsextrem eingestuft wird. Der Wiener Tageszeitung „Der Standard“ wurde ein Video über die Beerdigung des früheren Wiener FPÖ-Bezirkspolitikers Walter Sucher zugespielt, die vorigen Freitag stattfand. Dabei wurde für den 90-jährigen „Alten Herrn“ der rechtsextremen Burschenschaft „Olympia“ das SS-Lied „Und wenn alle untreu werden“ gesungen, in dem das „heil’ge deutsche Reich“ glorifiziert wird. Unter den Trauergästen befanden sich auch drei FPÖ-Kandidaten, die sich der Wiederwahl in den Nationalrat stellten, sowie Johann Gudenus, der frühere Intimus des Ex-Parteichefs Heinz-Christian Strache.

Vom sonst wortgewaltigen Parteichef Herbert Kickl, der nun als Wahlsieger Anspruch auf die Kanzlerschaft erhebt, war dazu bis Sonntagabend keine Silbe zu hören.

FPÖ liegt deutlich vor der ÖVP

Nun stellt sich für Österreich die Frage: Soll diese Partei, die seit ihrer Gründung 1955 immer wieder mit ihrer Sympathie für die NS-Ideologie auffällt, die nächste Regierung bilden? Das Wahlergebnis legt das nahe: Laut Hochrechnungen wurde die FPÖ mit 29 Prozent der Stimmen stärkste Partei, gefolgt von der konservativen ÖVP (26,2) des noch amtierenden Bundeskanzlers Karl Nehammer und der sozialdemokratischen SPÖ (20,5). Platz vier und fünf belegen die wirtschaftsliberale Neos (9,1) und die Grünen (8,7).

Die FPÖ (plus 13 Prozent gegenüber 2019) erzielte das beste Ergebnis ihrer fast 70-jährigen Geschichte; nicht einmal der legendäre Ahnvater Jörg Haider hat geschafft, was sein einstiger Redenschreiber und Sprücheschmied Herbert Kickl erreichte. Nehammer hoffte stark auf eine Aufholjagd, in der ÖVP träumte man schon davon, die FPÖ überholen zu können. Doch dem eher spröden Parteichef half weder der Kanzlerbonus noch das Hochwasser, die Partei liegt elf Prozent unter dem Höhenflug des einstigen Shootingstars Sebastian Kurz. Gescheitert ist die ÖVP auch mit der Taktik, in der Ausländerpolitik die FPÖ rechts überholen zu wollen; am Wahlabend landete sie prompt im Straßengraben.

Grüne zahlen etwas ungerechten Preis

Auch die Grünen zahlten mit über fünf Prozent Verlusten einen hohen, wenn auch etwas ungerechten Preis für ihre relativ erfolgreiche Regierungsarbeit der letzten vier Jahre. Die Ökopartei hat in der Koalition mit der ÖVP an Profil deutlich verloren und hat damit viele Stammwähler vergrätzt. Die schmerzlichste Schlappe erlitt die SPÖ, die Sozialdemokraten landeten erstmals in der Nachkriegsgeschichte abgeschlagen auf dem dritten Platz. Dem Parteichef Andreas Babler war es unmöglich, die in einen linksideologischen und pragmatischen Flügel gespaltene Partei zu einen. Seine Ablösung dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

Regierungsbildung wird sehr schwierig

Selten war die Regierungsbildung so schwierig wie diesmal. Die FPÖ stellt zwar lautstark den Anspruch auf die Kanzlerschaft, findet aber kaum Partner. Nehammer wäre für eine Neuauflage von Schwarz-Blau zu haben, stellte aber noch am Wahlabend klar: „Nicht mit Kickl.“ Nach der jüngsten Teilnahme von FPÖ-Mandataren an einer Beerdigung mit SS-Liedgut wäre ein Bündnis mit der FPÖ ein gewaltiger Imageschaden für Österreich.

Die klassische Zwei-Parteien-Koalition der Traditionsparteien ÖVP und SPÖ scheitert mangels Mehrheit. Neos, die leicht zulegte, und Grüne böten sich als Mehrheitsbeschaffer für Drei-Parteien-Koalitionen an, doch erschweren teils markante inhaltliche Differenzen deren Bildung. Mit einer neuer Regierung ist daher in diesem Jahr kaum noch zu rechnen.

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