Leitartikel Bahnverkehr: Merz auf dem Holzweg

Gefährdet durch die steigende Schienen-Maut sind unter anderem IC-Züge, die durch Thüringen fahren.
Gefährdet durch die steigende Schienen-Maut sind unter anderem IC-Züge, die durch Thüringen fahren.

Die Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn wird mehr und mehr zu einem großen Problem. Die Forderung von CDU-Chef Merz, das Zugangebot zu reduzieren, ist aber ganz und gar nicht im Sinne der Fahrgäste.

Je mehr Verspätungen die Züge haben, desto besser verkaufen sich die Tickets. Das zeigen – scheinbar – die Zahlen der Deutschen Bahn (DB) für Juni. Der DB-Fernverkehr verzeichnete einen Rekordumsatz, während der Anteil der verspäteten Fernzüge fast die 50-Prozent-Marke erreichte. Bei diesem Zusammentreffen handelt es sich natürlich um das, was Statistiker eine Scheinkorrelation nennen. Die zunehmenden Verspätungen sind nicht nur ein Ärgernis für die betroffenen Fahrgäste, sondern sie beschädigen das Image der DB erheblich. Dennoch sind meist nicht Verspätungen das größte Problem, sondern es ist die Unzuverlässigkeit des Bahnangebots, vor allem unerwartete Zugausfälle wegen überraschend angesetzter Bauarbeiten, die auch eine zentrale Rolle für das Image-Desaster der DB bei der Fußball-EM spielten. Hinzu kommen dann noch Faktoren, für die die DB nichts kann wie die gerade im Juni massiven Schäden durch Hochwasser etwa auf der sonst viel befahrenen Strecke von Würzburg nach Nürnberg.

Merz will weniger Züge

Inzwischen droht zusätzlich eine andere Gefahr, nämlich dass die Verspätungen durch Maßnahmen bekämpft werden könnten, die für Bahnfahrgäste noch mehr Schaden anrichten. CDU-Chef Friedrich Merz hat gefordert, dass weniger Züge fahren sollen, um die Verspätungen einzudämmen. Was er sich dabei gedacht hat, ist nicht ganz klar. Durch besondere Fürsorge für Bahnfahrgäste ist der CDU-Chef bisher noch nie aufgefallen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass Merz da weniger die Belange der Bahnpassagiere im Auge hat, als den Gedanken, dass weniger Züge auch weniger Fahrgäste bedeuten und man sich dann vielleicht Investitionen in den Ausbau der Bahn sparen kann.

Auch andere Indizien deuten darauf hin, dass eine CDU-geführte Bundesregierung vielleicht bald Anlass geben könnte, der viel kritisierten Ampelkoalition nachzutrauern, die beim Thema Bahn immerhin ein Mindestmaß an gutem Willen zeigt und dabei das schwere Erbe von drei CSU-Verkehrsministern zu bewältigen hat.

Takt-Ausdünnung für Fahrgäste verheerend

Es ist zwar richtig, dass steigende Zugzahlen meist das Verspätungsrisiko erhöhen und eine Strecke nie komplett ausgelastet werden sollte, um Puffer zum Abbau von Verspätungen zu lassen. Aber aus Fahrgastsicht wäre eine Ausdünnung von Taktfahrplänen verheerend. Heute wird in vielen Fällen der Ärger über einen verpassten Anschluss dadurch gedämpft, dass die Wartezeit auf den nächsten Zug nicht allzu lang ist. Wie sehr im Gegenteil der Ärger über verpasste Anschlüsse wächst, wenn das Zugangebot reduziert wird, haben viele Bahnfahrer in der Pfalz erlebt, als wegen des Personalmangels im Stellwerk Ludwigshafen die S-Bahnen zeitweise nur stündlich statt sonst halbstündlich fuhren.

Bei der DB gibt es nun offenbar Überlegungen, vor allem wegen der stark steigenden Schienen-Maut mittelfristig Fernzüge zu streichen. Wirbel hat vor allem ausgelöst, dass davon besonders Thüringen und Sachsen betroffen sein könnten, wo bald Landtagswahlen anstehen. Anders als vor rund 25 Jahren würde das aktuelle DB-Management solche Einschnitte aber eigentlich wohl lieber vermeiden. Es wäre grotesk, wenn die DB durch Politiker wie Merz nun sogar noch gedrängt würde, ihr Zugangebot zu reduzieren.

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