Meinung Das „Compact“-Verbot bereitet Bauchschmerzen

Das Bundesinnenministerium geht gegen das rechtsextreme Magazin und dessen Onlinekanäle vor.
Das Bundesinnenministerium geht gegen das rechtsextreme Magazin und dessen Onlinekanäle vor.

Das Verbot eines rechtsextremen Magazins durch Nancy Faeser ist eine zweifelhafte Sache. Über Pressefreiheit entscheidet nicht die Regierung.

„Compact“ ist eine widerwärtige Publikation. Sie hetzt gegen Juden und Migranten. Und dennoch sollte das Verbot dieses Magazins durch Nancy Faeser jedem Demokraten Bauchschmerzen bereiten. Denn die Bundesinnenministerin geht damit an eine Grenze, ja, überschreitet sie womöglich.

Der Artikel 5 des Grundgesetzes ist glasklar. Er lautet: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ Und weiter: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Die Väter und Mütter des Grundgesetzes stuften damit die Meinungs- und Pressefreiheit als schlechthin konstitutiv für unsere Gesellschaft ein. Das schützt auch Meinungen, die unappetitlich oder extremistisch sind.

Faeser handelt wie Strauß

Ein Grenze zieht unsere Verfassung in Artikel 18. Wer die Meinungsfreiheit zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung missbraucht, so ist dort zu lesen, verwirkt dieses Grundrecht. Allerdings steht dort auch: „Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.“

Diese Teilung der staatlichen Gewalten hat die Innenministerin missachtet. Im Grunde handelte Nancy Faeser so übergriffig wie der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß 1962, als er mit Polizisten die Räume der „Spiegel“-Redaktion besetzen ließ. Ihre Vorwürfe, wonach „Compact“ verschwörungstheoretische Inhalte verbreitet und sich einer „Widerstands- und Revolutionsrhetorik“ befleißigt, stimmen zwar, taugen aber nicht als stichhaltige Argumente für ein Zeitungsverbot. Dazu müssten die Sicherheitsbehörden belegen, dass die „Compact“-Macher einen Umsturz unserer freiheitlichen Geselschaft aktiv betreiben. Eine starke Demokratie schützt sich durch die Vereitelung extremistischer Straftaten und nicht durch Gesinnungsverbote.

Im Übrigen: Mit welchem moralischen Recht würden wir künftig die Viktor Orbans, die Robert Ficos, die Jaroslaw Kaczynskis und all die anderen europäischen Populisten verurteilen, wenn sie den Medien in ihren Ländern die Daumenschrauben anziehen, wenn wir unserer Innenministerin eine solche Intervention unkritisch durchgehen lassen? Gut, dass unsere Gerichte unabhängig sind. Sie werden diesen Grenzgang Faesers zu bewerten wissen.

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