Leitartikel Das Deutschlandticket ist in Gefahr

Bundesfinanzminister Christian Lindner gilt schon seit Jahren nicht als ein Freund des Nahverkehrs. Das Foto von einer Campact-A
Bundesfinanzminister Christian Lindner gilt schon seit Jahren nicht als ein Freund des Nahverkehrs. Das Foto von einer Campact-Aktion entstand im Kontext der Diskussion um das 9-Euro-Ticket, auf das das Deutschlandticket zurückgeht.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing betrachtet sich mit einigem Recht als Erfinder des Deutschlandtickets. In Frage gestellt wird das Angebot nun aus den Reihen der CDU. Noch gefährlicher ist Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Das Deutschlandticket kostet weiter 49 Euro pro Monat, hieß es in der vergangenen Woche. Das klang nach einer guten Nachricht, die sich leider bei näherem Hinsehen stark relativierte. Es ging nämlich nur um den Preis bis Ende 2024. Darüber bestand eigentlich schon seit längerer Zeit ein breiter Konsens. Erforderlich war dafür eine eigentlich ebenfalls längst vereinbarte Übertragbarkeit von Mitteln, die 2023 wegen der verspäteten Einführung des Tickets nicht gebraucht wurden. Wegen des Haushalts-Hick-Hacks in der Ampelkoalition hat sich die formale Regelung aber so lange hingezogen, dass das Ticket kurzfristig in Gefahr zu geraten drohte. Diese Kuh ist nun endlich vom Eis, aber dort stehen schon wieder andere Kühe.

Parteitagsbeschluss gegen Deutschlandticket

Eine Abschaffung des populären und erfolgreichen Tickets galt eigentlich als politisch nahezu undenkbar – bis im Juni ein Antrag der Jungen Union (JU) auf Abschaffung des Deutschlandtickets bei einem Parteitag der Hessen-CDU überraschend eine Mehrheit fand, obwohl die Antragskommission die Ablehnung empfohlen hatte. Der Beschluss ist wohl vor allem mit Besonderheiten in Hessen zu erklären.

Bei der CDU-Basis herrschte offenbar ein gewisser Übermut, nachdem man im vergangenen Jahr eine Koalition mit der SPD sozusagen fast zum Nulltarif bekommen hatte. Nun dominierte wohl die Lust, mal richtig die Sau rauszulassen – gerade bei einem Thema, das für manche CDU-Hardliner offenbar irgendwie grün klingt. Der hessischen CDU-Parteiführung scheint der Parteitagsbeschluss aber eher unangenehm zu sein. Sie hat erkennbar keine Lust, deswegen einen Koalitionskrach mit den bisher so zahmen Sozialdemokraten zu riskieren, die wohl auch nicht alles schlucken werden.

In Hessen haben zudem gerade Pendler aus traditionell besonders CDU-affinen Regionen wie dem Kreis Fulda von der Einführung des Deutschlandtickets besonders stark profitiert. Die von manchen CDU-Politikern wie Jens Spahn aufgestellte Behauptung, das Ticket nütze nur Leuten in Ballungsgebieten wirkt hier besonders absurd.

Christian Baldauf als Stimme der Vernunft

Sehr vernünftig äußerte sich zu dem Thema der (bald ehemalige) rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Christian Baldauf. Er stellte klar: „ Das Deutschlandticket ist ein Erfolg! Es hat eindeutig mehr Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt. Auch im ländlichen Raum ist es zumindest eine Ergänzung zum eigenen Auto. Das Deutschlandticket ist ein zentraler Baustein einer klimafreundlichen Verkehrspolitik.“ Das sind keine sensationellen Erkenntnisse, aber es ist eine Stimme der Vernunft, die in der CDU nun leider bei diesem Thema nicht selbstverständlich ist.

Das größte Problem für die Zukunft des Deutschlandtickets ist derzeit aber weniger die CDU als Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), obwohl sein Parteifreund Volker Wissing sich mit gewissem Recht als Erfinder des Deutschlandtickets sieht. Besonders perfide gerade gegenüber Wissing ist Lindners Versuch, das Deutschlandticket gegen die überfällige Sanierung des deutschen Schienennetzes auszuspielen und zu suggerieren, das Geld reiche nur für eines von beidem. Das stimmt allenfalls dann, wenn man wie Lindner so unsinnige und umweltschädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg mit Zähnen und Klauen verteidigt.

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