Blieskastel Deswegen sind SPD und Grüne im Streit
In Blieskastel hat sich das Klima zwischen SPD und Grünen, die eine Koalition geschlossen hatten, im Laufe des Jahres verschlechtert. Dazu hatte auch beigetragen, dass der Vorsitzende der Ratsfraktion der Grünen den Bürgermeister Bernd Hertzler (60 Jahre, SPD) als „Flachzange“ bezeichnet hatte. Im Sommer vertrat dann die ehrenamtliche Beigeordnete Lisa Becker (33, Grüne) Bürgermeister Hertzler in dessen Urlaub. In dieser Zeit sollte sie Ausgaben in Höhe von 3000 Euro abzeichnen, die durch den Ankauf von Bons fürs Webenheimer Bauernfest angefallen waren. Die Bons konnten bei dem Volksfest im Juli 2022 eingesetzt werden, um kostenlos Mahlzeiten und Freibier zu erhalten. Bons im Gegenwert von 2000 Euro waren an Mitarbeiter der Stadtverwaltung und an Stadträte verteilt worden. Bons im Gegenwert von tausend Euro hatte der Bürgermeister nach Gutdünken verteilt. Lisa Becker, die im Hauptberuf als Juristin beim Landkreistag des Saarlandes tätig ist, hatte rechtliche Bedenken und erkundigte sich deshalb bei den zuständigen Sachbearbeitern der Stadtverwaltung nach Einzelheiten und wie das früher gehandhabt wurde. Dabei erfuhr sie, dass Hertzlers Vorgängerin von der CDU während ihrer Amtszeit Bons von im Gegenwert maximal hundert Euro zur freien Verfügung hatte. Daraufhin schrieb Becker nach eigener Aussage Hertzler ein sachliches Mail mit dem Rat, „auch aus rechtlichen Gründen diese Summe privat zu tragen“. Der Bürgermeister empfand diese Mail als Drohung, habe er ihr anschließend gesagt.
Bürgermeister holt AfD mit ins Boot
Hertzler selbst formuliert es allgemeiner: Die Beigeordnete habe „mehrere Entscheidungen von Tragweite eigenmächtig getroffen“. Dadurch hätten sich bestehende Bedenken in Bezug auf ihre Loyalität verstärkt. „Auf dieser Grundlage ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich.“ Mit den „Entscheidungen von Tragweite“ ist offenbar zum einen die Sache mit den Bons gemeint. Zum anderen geht es um ein Gutachten über eine Festhalle in Blieskastel. Dieses Gutachten zeigte „eklatante Mängel“ bei Lüftung und Elektrik auf und ging während Hertzlers Urlaub ein – bei seiner Urlaubsvertreterin Lisa Becker. Wegen der Schwere der Mängel gab Becker das Gutachten sofort an die Bauaufsichtsbehörde weiter. Damit war Hertzler im Nachhinein nicht einverstanden. Er hätte es lieber gesehen, wenn Becker das Gutachten bis zu seiner Rückkehr aus dem Urlaub liegen gelassen hätte. Damit war für den Bürgermeister das Vertrauen jedenfalls weg. Er ließ Becker die Geschäftsbereiche entziehen und betrieb ihre Abwahl. Für einen entsprechenden Antrag braucht es in Blieskastel mindestens 20 Unterschriften von Stadtratsmitgliedern. Nach Informationen der RHEINPFALZ sprach die Blieskasteler SPD auch Mitglieder der AfD an, damit diese den Antrag unterschreiben. Das taten dann alle drei Stadträte der AfD auch.
Druck der Landes-SPD auf Blieskasteller Genossen
Becker wurde gedrängt, freiwillig auf ihr Amt zu verzichten. Sie tat es nicht – mit der Begründung: „Ich habe mich so verhalten, wie man sich verhalten muss. Es ist ja meine Aufgabe, Dinge zu überprüfen.“ Daraufhin kam es zu einer ersten Abstimmung: Alle 13 Ratsmitglieder der SPD stimmten für ihre Abwahl, dazu neun der CDU, ein Freidemokrat und die drei AfD-Räte. Sieben Grüne stimmten dagegen. Drei Christdemokraten, zwei Unabhängige und ein Linker blieben der Sitzung fern. Mit 26 Stimmen war somit die Zweidrittelmehrheit erreicht.
Im Saarland verlangt das Gesetz, dass diese Mehrheit bei zwei Abstimmungen, die zeitlich versetzt sind, zustandekommt. Am Donnerstagabend kam es deshalb zur zweiten Abstimmung. Im Vorfeld hatte die saarländische SPD erheblichen Druck auf die Blieskasteler Genossen aufgebaut, nicht erneut gemeinsame Sache mit der AfD zu machen. Zunächst hatten die Blieskasteler Genossen trotzig reagiert, nach dem Motto: Uns doch egal, was die Landespartei sagt. Wir machen, was wir wollen. Am Mittwochabend aber wurden die Blieskasteler Sozialdemokraten erneut von Größen der Saar-SPD ins Gebet genommen und eindringlich ermahnt, keinen Schaden für die gesamte Partei anzurichten. Schließlich war es längst keine lokale Angelegenheit mehr, sondern strahlte auf das gesamte Saarland und weit darüber hinaus aus.