Einkommen DGB fordert neue Regeln für Festlegung des Mindestlohns
Die Funktionsfähigkeit der Kommission stehe in Frage, sagte die rheinland-pfälzische DGB-Vorsitzende Susanne Wingertszahn der RHEINPFALZ. Sie verwies dabei auf die gegen das Votum der Gewerkschaften beschlossene „viel zu geringe“ Erhöhung des Mindestlohns.
Die Kommission hatte Ende Juni empfohlen, den gesetzlichen Mindestlohn im kommenden Jahr von 12 auf 12,41 Euro und 2025 auf 12,82 Euro zu erhöhen. Dem Gremium gehören – neben zwei beratenden Mitgliedern und einem stimmberechtigten Vorsitzenden – je drei Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeber an. In Fällen, in denen sich beide Seiten nicht einigen können, gibt am Ende das Votum des Vorsitzes, den derzeit Christiane Schönfeld innehat, den Ausschlag. Im Juni fiel der Erhöhungsbeschluss erstmals nicht einmütig. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will ihn dennoch umsetzen.
Wingertszahn kritisiert „deutlichen Reallohnverlust“
Die von der Kommission beschlossene Erhöhung bedeute angesichts der aktuellen Preisentwicklung „einen deutlichen Reallohnverlust“ für die 280.000 Empfänger von Mindestlohn in Rheinland-Pfalz, kritisierte Wingertszahn. Das mache deutlich, dass bei der Kommission Anspruch und Wirklichkeit „weit auseinander liegen“, weshalb es dringend einer Reform bedürfe. Sonst drohe auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt Gefahr.
Eine Reform fordert auch DGB-Bundesvorsitzende Yasmin Fahimi. „Es kann nicht sein, dass im Zweifelsfall eine der beiden Bänke überstimmt wird“, sagte Fahimi. Die Rolle des Vorsitzes müsse dringend neutralisiert werden. Komme eine gemeinsame Verständigung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite nicht zustande, „bedarf es eines echten Schlichtungsverfahrens“.
Arbeitgeber verteidigen beschlossene Erhöhung
Der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU), Karsten Tacke, wies die Kritik der Gewerkschaften zurück. Bereits der „sprunghafte Anstieg des Mindestlohns“ im vergangenen Oktober sei für viele Unternehmen eine immense Herausforderung gewesen. Es sei nur folgerichtig gewesen, dass die Mindestlohnkommission den „unrealistischen Forderungen“ der Gewerkschaften eine Absage erteilt habe. Da eine Erhöhung des Mindestlohns auch auf die darüber liegenden Entgeltgruppen durchgreife, wäre eine „weitere sprunghafte Erhöhung für viele Unternehmen schlicht nicht mehr stemmbar gewesen“, sagte Tacke. Die Kommission sei bewusst so zusammengesetzt, dass ein einseitiges Durchsetzen nicht möglich sei.
Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verteidigte die beschlossene Erhöhung um zwei Mal 41 Cent. Zugleich warnte er vor einem neuen Wahlkampf um den Mindestlohn. „Populismus mit der Lohntüte führt nur zu einer noch höheren Inflation“, sagte Dulger. Diese Äußerung stieß auf Kritik. So sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke, Dulgers Arbeitgebervereinigung seien „die Lebensbedingungen der Menschen, die nur nach dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt werden, offensichtlich gleichgültig“.