Meinung Dreister Akt des Populismus: Südafrikas Präsident und sein neues Gesetz

Steht vor Wahlen, bei denen seinem ANC der Verlust der absoluten Mehrheit droht: Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa
Steht vor Wahlen, bei denen seinem ANC der Verlust der absoluten Mehrheit droht: Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa

Südafrikas Präsident Ramaphosa gehörte lange zu den integeren Gestalten innerhalb des maroden ANC. Doch den Verfall von Staat und Partei hat auch er nicht aufgehalten. Nun setzt er zunehmend auf Populismus.

Wohl in nur wenigen Ländern gehört Humor so integral zur politischen Kultur wie in Südafrika. Unvergessen, wie Nelson Mandela bei Verhandlungen zum Apartheid-Ende die Stimmung seiner weißen Politiker-Gäste mit einem Scherz auflockerte: Es tue ihm leid, er habe nach 27 Jahren Haft vergessen, wie man Tee einschenke. An einem ähnlichen Unterfangen versuchte sich zuletzt eher hölzern der aktuelle Präsident Cyril Ramaphosa. Er habe endlich seinen Kugelschreiber gefunden, sagte er grinsend in seinem Regierungssitz in Pretoria. Dann zückte er einen goldenen Stift und unterzeichnete ein Gesetz für eine Gesundheitsreform.

Das dürfte für sein Land zusätzliche Kosten von konservativ geschätzt mindestens zehn Milliarden Euro bedeuten. Die bisherigen Ausgaben würden sich fast verdoppeln. Wohl deshalb hatte der Präsident ewig gezögert. Das Gesetz wurde schon im vergangenen Juni vom Parlament verabschiedet. Bis er, welch Zufall, genau zwei Wochen vor den Wahlen am 29. Mai, seine Unterschrift daruntersetzte.

Chaotische Ära der Koalitionen droht

Es ist klar, dass Ramaphosa eine zweite Amtszeit bekommen und der African National Congress (ANC) weiterregieren wird. Doch voraussichtlich nicht mehr allein. Das Land steht vor einer chaotischen Ära der Koalitionsregierungen. Das vom ANC durchgesetzte Gesetz ist ein besonders dreister Akt des Populismus, um den in Umfragen prognostizierten Verlust der absoluten Mehrheit irgendwie abzuwenden.

Die geplante Nationale Gesundheitsversicherung (NHI) verspricht die gleiche medizinische Versorgung für alle Bürger in Südafrika, dem Land mit den größten Einkommensunterschieden der Welt. Es ist aber der Versuch, die privaten Krankenversicherungen und Krankenhäuser dem kollabierenden staatlichen Gesundheitssystem einzuverleiben. Dem Gesetz zufolge dürfen die von der NHI abgedeckten Leistungen nicht mehr von privaten Versicherungen angeboten werden. Gezahlt werden soll fortan alles aus einem staatlichen Fonds.

Gefahr für die Staatsfinanzen

Seit Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma russische Atomkraftwerke für 40 Milliarden Euro kaufen wollte (das südafrikanische Finanzministerium intervenierte), hat wohl keine Regierungsinitiative die Staatsfinanzen derart gefährdet. Seit den Zuma-Jahren ab 2009 hat der ANC seine einst konservative Fiskalpolitik aufgegeben und die Staatsverschuldung verdoppelt.

Die Lage bleibt auch unter Ramaphosa desolat. Fast jeder zweite junge Erwachsene ist arbeitslos, die Wirtschaft stagniert. Anstelle des Arbeitsmarktes baute der Präsident das Sozialhilfesystem zu einem der größten der Welt aus. Es hat inzwischen 27 Millionen Empfänger. Das ist fast jeder zweite Einwohner. Die Milliarden versickern weiter, nicht zuletzt im Gesundheitsministerium.

Wahl-Trick mit Stromausfällen?

An Errungenschaften hat Ramaphosa wenig zu bieten. Am ehesten kann der ehemalige Großunternehmer noch Reformen des Energiesektors vorweisen – viel zu spät und zögerlich, aber immerhin. Der ANC prahlt, deshalb habe es seit über sechs Wochen keine Stromausfälle mehr gegeben, der längste Zeitraum seit Jahren. Ein weiterer Zufall? In Südafrika glauben viele, dass die letzten Watt aus den Kohlekraftwerken gequetscht und Wartungsarbeiten schlicht verschoben wurden.

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