Meinung Freie Wähler im Landtag: Projekt Parlament passé?

Er hat bis zu seinem Wechsel ins Europaparlament im Juni den Laden zusammengehalten: Joachim Streit.
Er hat bis zu seinem Wechsel ins Europaparlament im Juni den Laden zusammengehalten: Joachim Streit.

Der Erfolg der Freien Wählergruppen in Städten, Kreisen und Gemeinden hat sich in Rheinland-Pfalz nicht in den Landtag übertragen lassen. Der Zerfall der Fraktion zeigt: Die gemeinsame politische Idee scheint vergessen.

Jeder wackere SPD-Politiker könnte die Frage, was seine Partei in miesen Zeiten wie den aktuellen im Innersten zusammenhält, so beantworten: Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Jeder Christdemokrat würde als Grundüberzeugung ein Bekenntnis zu sozialer Marktwirtschaft, Verantwortung des Einzelnen und Werteorientierung abgeben. Jeder Grüne müsste nicht lange nachdenken, um Ökologie und Basisdemokratie als Grundsätze zu nennen. Selbst jeder FDP-Vertreter würde ... okay ... schlechtes Beispiel. Aber ernsthaft: Wie könnte ein Freier Wähler – und noch dazu einer aus Rheinland-Pfalz – diese Frage beantworten? Es hat diese gemeinsame politische Überzeugung einmal gegeben, hinter der sich Mitglieder des parlamentarischen Zweigs dieser Bewegung sammeln konnten. Sie bestand darin, landespolitisch als Verteidiger der kommunalen Selbstverwaltung aufzutreten.

Fraktion nach Parteitag zerfallen

Der Versuch, sich darüber hinaus zu einigen zentralen Politikfeldern ein vernünftiges Programm zu erarbeiten, ist beim Landesparteitag der rheinland-pfälzischen Freien Wähler Ende September in Kordel gescheitert. Seitdem ist die Landtagsfraktion durch die Austritte der Abgeordneten Herbert Drumm und Bernhard Alscher zerfallen, ihre vier Kollegen wollen nun als Gruppe weitermachen – einer von ihnen: der Noch-Vorsitzende der Landespartei, Stephan Wefelscheid. Aber auch der hat längst entnervt seinen Rückzug von der Parteispitze zum Jahresende angekündigt. Was Joachim Streit seit dem Einzug der Freien Wähler in den Landtag im Frühjahr 2021 und bis zu seinem Wechsel ins EU-Parlament im Frühsommer mit Mühe zusammengehalten hatte, ist seinen Nachfolgern buchstäblich um die Ohren geflogen.

Ursache dieser Krise: Auch bei den Freien Wählern Rheinland-Pfalz menschelt es zwischen den Protagonisten, sind die Egos der Akteure offenkundig größer als der innere Zusammenhalt oder das Engagement für die Sache der Kommunen. Der Erfolg, den die meist als Vereine verfassten Freien Wählergemeinschaften auf kommunaler Ebene haben, lässt sich nicht so leicht in die Landespolitik übertragen, weil er in der Regel an spezifisch lokale Themen geknüpft ist.

Beispiele aus der Pfalz

Zwei Beispiele aus der Pfalz zeigen: Wenn die Unzufriedenheit der Wähler mit etablierten Parteien und deren politischer Arbeit auf ein passendes Personalangebot und Kenntnis der örtlichen Verhältnisse trifft, dann ist einiges möglich. So haben die FWG-Leute Marc Weigel und Nicolas Meyer in Neustadt und Frankenthal die Oberbürgermeistersessel erobert und so ist die FWG in Frankenthal ad hoc stärkste Fraktion im Stadtrat geworden. Das funktioniert dort und anderswo aber nur, weil Gullydeckel, Schulfenster oder Parkbänke nicht grün, rot oder schwarz sind, sondern es für die Probleme vor Ort pragmatische Lösungen geben muss.

Das parlamentarische Projekt der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz hat zweieinhalb Jahre überstanden und versinkt nun im Chaos. Bei der Landtagswahl 2026 könnte es vorbei sein. Größere Zusammenhänge überfordern die einzelfallbezogene Problemlösungsstrategie, die Kern der DNA der lokalen Wählergruppen ist. Es braucht langfristige Konzepte und Überzeugungen. Oder wie in Bayern einen charismatischen Populisten: Hubert Aiwanger.

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