Politik Kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf mehr Bafög

Bafög
Die Höhe des Bafögs ist immer wieder Kern politischer Diskussionen. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Vom Grundgesetz lässt sich kein Anspruch ableiten. (Archivbild)

Hunderttausende beziehen Bafög - viele könnten ohne das Geld vom Staat gar nicht studieren. Immer wieder wird über die Höhe der Leistungen debattiert. Nun äußert sich das Bundesverfassungsgericht.

Karlsruhe (dpa) - Studierende haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf höheres Bafög. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Aus dem vom Grundgesetz abgeleiteten Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums könne kein Recht für mittellose Hochschulzugangsberechtigte auf staatliche Leistungen hergeleitet werden, die ein Studium ermöglichen.

Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen bestehe nicht, wenn man eine existenzsichernde Arbeit aufnehmen könne, hieß es weiter - auch wenn dann unter Umständen Studieren unmöglich werde.

Bafög ist eine Ausbildungsförderung für Schüler und Studierende, die nicht über die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Mittel verfügen. Da Vermögen, eigenes Einkommen sowie das Einkommen der Eltern und möglicher Ehepartner angerechnet werden, ist die eigentliche Bafög-Höhe immer individuell. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lag die Zahl der Bafög-Empfänger 2023 bundesweit bei 635.600 Menschen.

Studentin hatte gegen Bafög-Höhe geklagt

Im konkreten Fall hatte sich eine Masterstudentin an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gewandt. Sie wollte dort einen höheren Bafög-Betrag einklagen, weil sie die Höhe der gesetzlichen Grundpauschale im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 für verfassungswidrig hielt. Der Leipziger Senat setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die Grundpauschale im entsprechenden Zeitraum mit dem Grundgesetz vereinbar war. Das Gericht bejahte das nun.

Es erklärte weiter: «Aus dem objektiv-rechtlichen sozialstaatlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folgt derzeit keine spezifisch auf die Hochschulausbildung bezogene Handlungspflicht des Staates». Zugleich betonte das höchste deutsche Gericht aber auch, dass angesichts der besonderen Bedeutung sozialer Durchlässigkeit der Bildungs- und Ausbildungswege ein Auftrag des Staates zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folge. (Az. 1 BvL 9/21)

Ohne Ausbildungsförderung bleibe regelmäßig nicht nur die gewünschte Ausbildung, sondern auch der angestrebte Beruf verwehrt, so der Karlsruher Senat. Eine solche von Vermögensverhältnissen abhängige Verteilung von Lebenschancen stehe der Ausbildungs- und Berufsfreiheit, der Gleichheit und des Sozialstaatsprinzips entgegen. Daher hätten Leistungen, die eine Hochschulausbildung ermöglichen, zwar erhebliches Gewicht – aber keins, wodurch sie im Verhältnis zu den anderen sozialstaatlichen Aufgaben dauerhaft unverzichtbar seien.

Keine automatische Erhöhung

«Nach diesem Beschluss ist klar: Ob die Bafög-Förderung für Studierende ausreichend ist, ist eine politische Entscheidung», erklärte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl. «Sie muss im Parlament und nicht vor Gericht geklärt werden.» Der Handlungsdruck bleibe hoch, der Bafög-Grundbedarf hinke dem Unterhaltsanspruch junger Menschen hinterher. «Andere staatliche Leistungen wie die Renten, das Wohngeld oder das Bürgergeld werden automatisch erhöht, das Bafög nicht.»

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erklärte, der Beschluss unterstreiche abermals, dass der Bundestag beim Bafög seinen sozialpolitischen Gestaltungsspielraum nutzen müsse. Zwar lasse sich aus dem Grundgesetz kein unmittelbarer Anspruch auf eine bildungsspezifische Sozialleistung ableiten. «Wenn das Parlament aber dem eigenen Anspruch beim Bafög gerecht werden will, muss diese Förderung substanziell ausfallen.»

Die Höhe des Bafögs ist immer wieder Streitpunkt in der Politik. Zuletzt war der Satz zum Wintersemester angehoben worden. Der sogenannte Grundbedarfssatz stieg um fünf Prozent auf 475 Euro. Für Studierende, die nicht mehr zu Hause wohnen, wuchs die Wohnkostenpauschale auf 380 Euro an. Der Förderungshöchstbetrag stieg von 934 Euro um 58 Euro auf 992 Euro. Studienanfänger unter 25 Jahren aus ärmeren Haushalten haben zudem Anspruch auf eine einmalige Studienstarthilfe in Höhe von 1.000 Euro.

«Trendwende» schon eingeleitet?

Auch nach der jüngsten Erhöhung liege der Bafög-Bedarfssatz noch weit unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller. Das sei «zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben». Die Bundesregierung dürfe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Anlass nehmen, in Sachen Bafög-Reform «die Hände in den Schoß zu legen».

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonte in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin», für die Regierung sei klar: «Bafög ist ein wichtiger Baustein für die Bildungsgerechtigkeit in unserem Land und wir werden es immer weiter stärken.» Alle zwei Jahre werde die Förderung auch mit Blick auf die Inflation geprüft – und gegebenenfalls mit Anpassungen oder Sondermaßnahmen reagiert.

Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Kai Gehring (Grüne), verteidigte ebenfalls die Reformen der Ampel. Die Regierung habe das größte Plus aller Zeiten für das Bafög beschlossen und eine dringende Trendwende eingeleitet. «Alle Reformstufen dieser Koalition zusammengenommen wurden die Bedarfssätze um rund 11 Prozent erhöht, die Wohnkostenpauschale um fast 17 und die Freibeträge um ganze 27 Prozent», sagte Gehring - räumte aber ein: Unerlässlich und überfällig sei ein regelmäßiger Erhöhungsmechanismus, wie er bei anderen Leistungen mit Rechtsanspruch längst üblich sei.

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