Meinung Mpox: Die fatalen Reflexe der reichen Länder

Vor allem der Kongo ist von Mpox-Infektionen betroffen.
Vor allem der Kongo ist von Mpox-Infektionen betroffen.

Nachdem die WHO wegen Mpox die höchste Alarmstufe ausgerufen hat, werden in Afrika falsche und überzogene Reaktionen der Industrieländer befürchtet – wie bei der Corona-Pandemie zum Nachteil des Kontinents.

Seit Jahrzehnten gibt es in West- und Zentralafrika regelmäßig Mpox-Fälle, die Wissenschaft spricht von „endemischer“ Präsenz. Finanzierungsaufrufe für Forschung, Diagnostik und Impfstoffe blieben freilich meist unerhört, weil es keine langen Infektionsketten gab. Schon ab 2017 gab es jedoch Berichte aus Nigeria, dass die früher Affenpocken genannte Krankheit durch sexuelle Kontakte von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Diese Entwicklung sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, beklagt der Virologe Wolfgang Preiser. Erst als 2022 diese Variante auch Menschen in zahlreichen Industrieländern traf, seien erstmals Forschungsgelder im größeren Stil geflossen: Es wurden innerhalb von zwei Jahren mehr wissenschaftliche Papiere veröffentlicht als in einem halben Jahrhundert zuvor.

Als der Ausbruch im Globalen Norden Mitte 2023 durch die gezielte Impfung von Risikogruppen – vor allem homosexuelle Männer – weitgehend im Griff war, wurde die damals bereits von der WHO verkündete „gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite“ prompt wieder aufgehoben. Und die geringen Mpox-Impfstoffvorräte waren dezimiert.

Ramaphose prägte den Begriff „Impf-Apartheid“

Dabei stiegen die Zahlen in Afrika weiter an. Umso schneller geschieht das nun seit der zunehmenden Verbreitung der ansteckenderen und gefährlicheren Variante Klade Ib in den vergangenen Monaten, vor allem im Kongo, der über 90 Prozent aller Fälle und Tote verzeichnete. Erst die damit verbundene Gefahr der Verbreitung in den Industrienationen und die erneute Verkündung der höchsten WHO-Alarmstufe haben das Thema wieder auf die weltweite Agenda gehoben.

Afrikas oberste Gesundheitsbehörde für ansteckende Krankheiten verfügt über rund 200.000 Impfdosen. Doch die Organisation braucht eigenen Angaben zufolge 10 Millionen Mpox-Impfdosen zur Eindämmung des Virus, vor allem im Kongo. Und Gesamtmittel in Höhe von vier Milliarden Dollar – ein kaum zu erreichendes Ziel.

Während der Corona-Pandemie prägte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa den provokanten Begriff der „Impfstoff-Apartheid“. Jetzt fordert er ein „faires und gerechtes Pandemieabkommen“ der internationalen Gemeinschaft. Seit zwei Jahren laufen entsprechende Verhandlungen der 194 WHO-Mitgliedsländer – bisher ohne Erfolg.

Kritik an „stigmatisierender Berichterstattung“

Immer wieder kämpft der Kongo mit Epidemien, sei es Ebola, Masern, Polio, Cholera oder die Lungenpest. Eine allgemein niedrige Impfrate, geringes Vertrauen in Impfstoffe und in Behörden, weit verbreiteter Konsum von Buschfleisch als Virenüberträger und Konflikte im Osten der strukturschwachen Nation erschweren die Bekämpfung – und erhöhen das Risiko einer die Verbreitung über die porösen Grenzen in Nachbarländer. Zumal die geopolitische Lage angespannt ist, Millionen Binnenflüchtlinge oft auf engstem Raum in Lagern zusammenleben.

So angemessen die entschlossene Reaktion der WHO angesichts der zuletzt massiv steigenden Fallzahlen auch sein mag, so groß ist auch die Sorge vor ähnlich überzogenen Reaktionen wie während der Corona-Pandemie, etwa Reisewarnungen. Der Tourismusverband für das Südliche Afrika kritisiert bereits „verallgemeinernde und stigmatisierende Berichterstattung“.

x