Interview Strack-Zimmermann: „Während Orban Männchen macht, bombardiert Putin Kinder“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (66) kam 2017 in den Bundestag und war ab 2021 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Bei der E
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (66) kam 2017 in den Bundestag und war ab 2021 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Bei der Europawahl im Juni trat die FDP-Politikerin aus Düsseldorf als Spitzenkandidatin für die liberale europäische Parteienfamilie an und wurde ins Parlament gewählt.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert seit dem russischen Angriff auf die Ukraine eine entschiedenere Unterstützung der Überfallenen. Nach der Bombardierung eines Kinderkrankenhauses in Kiew durch Putins Armee kritisiert die FDP-Politikerin im Gespräch mit RHEINPFALZ-Chefredakteur Yannick Dillinger erneut das zögerliche Verhalten der Ukraine-Freunde, auch in der Bundesregierung.

Frau Strack-Zimmermann, am Montag hat die russische Armee das Kinderkrankenhaus Okhmatdyt in Kiew bombardiert. Dutzende Menschen wurden getötet. Was hören Sie von Ihren Kontakten vor Ort, wie ist die Situation?
Die Situation ist dramatisch. Russland hat den Angriff gestartet, als gerade lebenswichtige Operationen liefen. Einen solchen Angriff auf eine Kinderklinik haben selbst vor Ort viele nicht für möglich gehalten. Dass er befohlen wurde, zeigt, wie absurd das Gerede von einer angeblichen Verhandlungsbereitschaft Putins ist. Ich frage mich, was die Kremlfreunde von BSW und AfD dazu sagen. Putin ist ein Verbrecher, er wird sich nie ändern.

Als die Bilder aus Butscha damals an die Öffentlichkeit kamen, hat das auch bei eher Unentschlossenen unter den Ukraine-Freunden zu einem Umdenken geführt. Plötzlich war Unterstützung möglich, die vorher undenkbar schien. Könnte der Angriff auf Okhmatdyt einen ähnlichen Wendepunkt darstellen?
Ich wundere mich, dass es überhaupt solche Wendepunkte braucht. Wir wissen doch, wie brutal Russland den Krieg führt. Der Aggressor hat mehr als 20.000 Kinder verschleppt. Es braucht keine schlimmen Bilder wie aus Butscha oder dem Krankenhaus, um sich klarzumachen, dass dieser russische Angriff mörderisch ist. Niemand wirft Politikern das Abwägen und Nachdenken vor. Doch klar ist eben auch, dass Putin auf Zögern nur eine Antwort kennt.

Was erwarten Sie jetzt von der Bundesregierung?
Wir müssen der Ukraine endlich auch solche Waffen zur Verfügung stellen, mit denen sie die Raketenstellungen der Russen zerstören kann. Es ist eine Tragödie, dass wir das bisher nicht getan haben – in der Hoffnung, es sei nicht erforderlich. Es ist erforderlich, denn wir sehen die immer weitergehende russische Eskalation. Der Angriff in Kiew erfolgte just in dem Moment, in dem die Nato zusammenkommt. Das ist kein Zufall. Putin zeigt, dass er sein Ding durchzieht. Wir müssen Taurus endlich liefern. Wir haben genug davon. Es bedarf nur eines Bruchteils davon, um zu bewirken, dass solche Angriffe erschwert werden.

Der Angriff erfolgte in einer Zeit, in der Viktor Orban auf „Friedensmission“ von Kiew nach Moskau, von Moskau nach Peking reist. Wie nehmen Sie die Signale, die aus Russland und China kommen, wahr?
Gar nicht, da kommen keine. In Moskau und Peking schütteln die Machthaber Orban die Hand, finden es wunderbar, dass einer, der die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, extra anreist. Das ist fatal. Hier in Brüssel distanzieren sich die meisten von Orban – abgesehen von seinen Freunden. Wichtig wäre allerdings, dass Frau von der Leyen sich dazu äußert, denn für diesen Auftritt wird er sich erklären müssen. Er hat kein europäisches Mandat dafür. An seiner Stelle würde ich mir schon überlegen, wie ernst er überhaupt in Moskau genommen wird. Während er in Peking Männchen macht, lässt Putin in der Ukraine Kinder ermorden. Aber vielleicht interessiert es ihn nicht wirklich.

Schäden in der Kinderklinik durch den Raketeneinschlag.
Schäden in der Kinderklinik durch den Raketeneinschlag.
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