Leitartikel USA: Zünglein an der Waage sind Anhänger von Nikki Haley

Nikki Haley hat aufgegeben.
Nikki Haley hat aufgegeben.

Im US-Präsidentschaftswahlkampf stehen sich absehbar die Kontrahenten von 2020 gegenüber: Joe Biden und Donald Trump. Entscheidend wird sein, wie die Anhänger von Trumps Kontrahentin Nikki Haley abstimmen werden.

Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt. Doch nach dem „Super Tuesday“, dem größten Ereignis im amerikanischen Vorwahlkampf mit Abstimmungen in 15 Bundesstaaten, ist das Rennen um die Präsidentschaftskandidaturen der Demokraten und Republikaner so gut wie entschieden. Bald dürften sich Joe Biden und Donald Trump in ihren Parteien, den US-Demokraten und den US-Republikanern, jeweils die absolute Mehrheit für ihre Nominierungen zum Parteikandidaten im Sommer gesichert haben.

Damit läuft alles auf eine Wiederholung des Duells von 2020 hinaus, allerdings mit vertauschten Rollen. Damals warf Biden den Amtsinhaber Trump aus dem Weißen Haus. Nun drängt dieser zurück. Es droht ein quälender Wettstreit: Zwei Drittel der Amerikaner verspüren keine Lust auf dieses Rückspiel.

Biden kann nicht punkten

Beunruhigend für Biden muss sein, dass er als amtierender Präsident nicht als Favorit in den politischen Zweikampf startet. Dabei kann er auf gute Wirtschaftszahlen verweisen. Biden hat zudem die Nato im Ukraine-Krieg geeint. Trump hingegen will sich mit seiner Kandidatur nicht zuletzt der juristischen Verfolgung entziehen; 91 mutmaßliche Straftaten werden ihm zur Last gelegt. Trump hetzt mit faschistischem Vokabular gegen Andersdenkende. Er hat Russland ermuntert, Nato-Staaten zu überfallen. Und trotzdem würden laut einer aktuellen Umfrage der „New York Times“ derzeit 48 Prozent der Amerikaner für Trump und nur 43 Prozent für Biden stimmen.

Die Gründe für die Unzufriedenheit mit dem 81-jährigen Biden sind vielfältig: Sie reichen von Sorgen wegen seines Alters über die Inflation und die Einwanderungspolitik bis hin zum Gaza-Krieg. Dass nach Michigan nun auch bei den Vorwahlen in Minnesota ein zweistelliger Prozentsatz von Demokraten aus Protest gegen die Unterstützung der blutigen israelischen Militäroffensive mit „uncommitted“ (unentschlossen) gestimmt hat, zeigt die Zerrissenheit der Demokraten.

Viele sind unzufrieden

Optimisten halten dagegen: Das seien Momentaufnahmen. Der eigentliche Wahlkampf sei noch gar nicht richtig losgegangen. In dem Maße, wie der Narzisst wieder die Schlagzeilen mit seinen Ausbrüchen beherrsche und gleichzeitig vor Gericht seine Verfehlungen ausgebreitet würden, werde das Pendel zurückschlagen. Gleichzeitig werde Biden die Erfolge seiner Politik herausstreichen können.

Tatsächlich deutet die Unterstützung von 20 bis 35 Prozent, die Trumps innerparteiliche Konkurrentin Nikki Haley in wichtigen Bundesstaaten wie North Carolina, Minnesota oder Massachusetts erfuhr, darauf hin, dass keineswegs alle konservativen Wähler glücklich sind mit Trump. Doch diese Gruppe ist nicht groß genug, um die ehemalige UN-Botschafterin in die Nähe einer Mehrheit zu bringen. Folgerichtig hat die 52-Jährige nun ihre Kampagne beendet.

Am Ende doch für Trump?

Die spannende Frage ist, was aus ihren Unterstützern wird. Werden sie Trump tatsächlich die Stimme verweigern, wie viele in Umfragen erklärt haben? Bleiben sie am 5. November zu Hause? Das könnte den Ex-Präsidenten entscheidend schwächen. Oder unterstützen sie den republikanischen Kandidaten aus Abneigung gegen Biden am Ende doch – mit mehr oder weniger fadenscheinigen Ausreden?

doemens_karl
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