Meinung Wahl in Südafrika: Historischer Absturz für den ANC

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa (Mitte) braucht Partner, um an der Macht zu bleiben.
Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa (Mitte) braucht Partner, um an der Macht zu bleiben.

Nach einem erheblichen Stimmverlust bei den Wahlen in Südafrika beginnen für die Regierungspartei ANC schwierige Koalitionsverhandlungen. Das sorgt für allgemeine Anspannung im Land.

Man kann davon ausgehen, dass Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Sonntag eigentlich nicht zum Scherzen aufgelegt war. Schließlich steht er an der Spitze des Staates und verfolgte in dieser Funktion in Johannesburg die Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Ramaphosa führt auch den African National Congress (ANC) und erlebte entsprechend live mit, wie die Wahlkommission den historischen Absturz seiner Partei amtlich machte.

Doch dann unterlief dem sichtlich übermüdeten Kommissionsleiter ein Freudscher Versprecher. Anstelle der „distinguished guests“, also der Ehrengäste, begrüßte dieser die „extinguished guests“ – die ausgelöschten Gäste. Ramaphosa fühlte sich ganz offenbar angesprochen, wohl wissend, dass nach dem Sturz von 57 auf nun nur noch 40 Prozent seine ANC-internen Gegner zumindest mittelfristig an seinem Stuhl sägen werden.

Daran ändern auch vorsichtige Treuebekenntnisse von Teilen der Parteispitze nichts. Selten hat eine Regierungspartei in einer Demokratie binnen fünf Jahren einen so hohen Stimmanteil verloren. „Ich bin noch nicht ausgelöscht“, merkte Ramaphosa lachend an.

Zuma der große Gewinner

Doch der joviale Moment vermochte die allgemeine Anspannung im Land nur kurz zu unterbrechen. Der ANC grübelt, ob er sich mit Hilfe reaktionärer Splitterparteien an der Macht halten soll. Im Angebot sind die anti-konstitutionelle „uMkhonto we Sizwe“ (MK) des korrupten Ex-Präsidenten Jacob Zuma, die sensationell auf 14 Prozent kam. Und die linksradikalen Economic Freedom Fighters (EFF, 9,5 Prozent).

Die Alternative wären die bisherigen Oppositionsführer der liberalen Democratic Alliance (DA, 22 Prozent), deren Diskreditierung als weiße Klientelpartei zum ANC-Grundvokabular gehört. Egal in welche Richtung es geht: Die linkszentristische Partei von Präsident Cyril Ramaphosa wird sich politisch gehörig anpassen müssen.

Zuma ist der große Gewinner dieser Wahl, hatte aber absurderweise die Zweidrittelmehrheit versprochen. Ohne Belege reklamiert seine MK nun Betrug, will womöglich gar Neuwahlen. Es hatte logistische Probleme der unterfinanzierten Wahlkommission gegeben. Aber Hinweise für Auswirkungen auf das Ergebnis gibt es bislang nicht.

Gewisse Demokratiemüdigkeit

Zumas verbaler Angriff kann man im günstigsten Fall als persönlichen Rachefeldzug interpretieren, schließlich hatte die Wahlkommission seine Partei zunächst nicht zugelassen und ihm selbst wegen seiner Verurteilung die Kandidatur für das Parlament verwehrt. Der Blick auf das anti-konstitutionelle Parteiprogramm aber legt nahe, dass das öffentliche Vertrauen in die staatlichen Institutionen gezielt untergraben werden soll.

Dem 82-jährigen Zulu-Nationalisten Zuma kommt eine gewisse Demokratiemüdigkeit der Nation entgegen. Die Wahlbeteiligung war mit 58 Prozent niedriger denn je. Und dieser Anteil bezieht sich nur auf jene Bürger, die sich im Wählerverzeichnis haben registrieren lassen. Legt man die Anzahl aller wahlberechtigten Südafrikaner zugrunde, dann sind nur 38 Prozent an die Urnen gegangen. Eine schockierende Zahl in einem Land, in dem einst ganze Generationen mutig dagegen gekämpft hatten, dass Minderheiten über die Geschicke Südafrika bestimmen.

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