Landtagswahlen Warum AfD und BSW im Osten so erfolgreich sind
Früher war alles besser. Es ist ein Satz, der im Osten Deutschlands immer häufiger zu hören ist. Es gab keine Ausländer, keine Arbeitslosigkeit, keine so gewaltigen Unterschiede zwischen Arm und Reich und auch keine Angst, auf die Straße zu gehen. Dafür war der Zusammenhalt größer, man lebte unter Seinesgleichen.
Selten ist die DDR stärker verklärt worden wie in diesen Tagen vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen. Viele, nein, sehr viele Menschen träumen von einem Land mit einer homogenen Gesellschaft, von einem autoritären Staat, der alles für sie regelt, in dem keine Minderheiten, erst recht keine Flüchtlinge nerven und auch noch Geld kosten. Der SED-Staat erscheint in der Erinnerung nicht als Diktatur, sondern als krisenfester Schutzraum, der ein Leben ohne Angst ermöglichte, sofern man nicht politisch aneckte oder äußerlich auffiel. Und das betraf nur eine sehr kleine Minderheit.
Sehnsucht nach einer DDR, die es so nie gab
Inzwischen stehen die beiden Parteien, die am stärksten von diesen Sehnsüchten nach einer DDR, die es so nie gab, politisch leben und sie noch schüren, dicht vor einer absoluten Mehrheit in beiden Ländern. Die rechtsextreme AfD und das rechts- wie linkspopulistische BSW knüpfen gezielt an ungebrochene Traditionslinien an.
Dass im Osten deutlich weniger Menschen den Kampf der Ukraine unterstützen als im alten Bundesgebiet, ist wohl auch ein Erbe der ehemaligen DDR, wo der Westen jahrzehntelang als Klassenfeind galt. Beide Parteien suggerieren, dass eine diplomatische Lösung jederzeit möglich sei. Russland wolle Frieden, glaubt gar der thüringische AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke. Das BSW, erst vor gut einem halben Jahr gegründet, gewinnt kontinuierlich an Zustimmung weil es – wie die AfD – Einwanderung und Waffenlieferungen ablehnt, aber Umverteilung befürwortet. Es knüpft dabei an die sogenannte Rotlichtbestrahlung an, die antikapitalistische Propaganda der DDR. Und an das, was die Leute im Osten sehen und spüren: Fast alle Führungspositionen in Ämtern, Gerichten, Unis und Unternehmen sind in westdeutscher Hand. Ein Blick in die Grundbücher zeigt: Die Eigentümer der Häuser in der schmucken Erfurter Altstadt und der Villen an den Dresdner Elbhängen kommen oft aus München, Hamburg oder Düsseldorf.
Ost-West-Neiddebatte wird gefördert
Beide hierarchisch geführte Parteien fördern die Ost-West-Neiddebatte, auch weil sie die als westdeutsch empfundenen Ampel-Parteien trifft. Sahra Wagenknecht, die im Sommer 1989 der SED beitrat und später die Kommunistische Plattform der PDS/Linken anführte, kann man vorwerfen, dass viele ihrer Forderungen von Landesregierungen gar nicht umgesetzt werden können. Doch das ändert nichts daran, dass sie und ihr strategisch hochbegabter Mann – Oskar Lafontaine bleibt bislang stets im Hintergrund – ein politisches, auf den Osten zugeschnittenes Angebot entwickelt haben, das das bislang in Ost und West etablierte Parteiensystem sprengen wird.
Das BSW hat den Aufstieg der AfD stark gebremst, die Linke außerhalb von Ramelows Thüringen marginalisiert. Im allerschlimmsten Fall werden die drei in Berlin regierenden Parteien – SPD, Grüne und FDP – in keinem der beide Landtage mehr vertreten sein. Bilden im Altbundesgebiet die demokratischen Parteien noch den Mainstream, geraten sie in den neuen Ländern an den Rand.
Pokerspiel zwischen CDU und BSW steht bevor
Das bekommt auch zunehmend die CDU zu spüren, die im Osten deutlich konservativer ist als im Westen. Die AfD macht auch die CDU für die messermordenden Asylbewerber verantwortlich, die einst Angela Merkel ins Land gelotst habe. „Höcke oder Solingen“, lautet die jüngste Parole. Das BSW arbeitet sich an CDU-Politikern ab, die die Ukraine nach BSW-Lesart befähigen möchten, staatliche Einrichtungen in Moskau mit deutschen Waffen in Schutt und Asche zu legen.
Gleichwohl wird die CDU in beiden Ländern die einzige starke demokratische Partei sein und – wenn nicht alles täuscht – auf das BSW für eine Regierungsbildung angewiesen sein. Wagenknecht hat angekündigt, nur dann mitzuregieren, wenn „substanzielle Veränderungen“ erreicht werden können. So steht ein Pokerspiel zwischen zwei Parteien bevor, die inhaltlich wenig, ideologisch gar nichts verbindet.